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Wie man mit
Argumenten gegen Evolution umgehen sollte
Evolutionsgegner
verfügen über ein umfangreiches Repertoire an Argumenten, die in
der Evolutionskontroverse nach einem mehr oder minder standardisierten Schema
abgerufen werden. Wer sich mit den Aussagen des Kreationismus (im weitesten
Sinne) gegen die Evolutionstheorie auseinandersetzen will oder muß,
sollte daher die gängigsten Einwände kennen und gegen sie gewappnet
sein. Wir wollen daher im folgenden die 10 gängigsten Einwände
stichwortartig wiedergegeben und kurz besprechen. Die Liste läßt
sich beliebig erweitern. Für eine gründlichere Auseinandersetzung
seien dem Leser die im Text genannten Artikel und Internetseiten anempfohlen.
1. "Die Evolutionstheorie enthält
Postulate, die nicht naturwissenschaftlich erforschbar (unbeweisbar)
sind."
Diesen und ähnlichen Behauptungen
liegt die wissenschaftstheoretische Annahme zugrunde, daß sich
Naturwissenschaft nur und ausschließlich mit dem direkt
Beobachtbaren oder mit experimentell zugänglichen
Erkenntnisgegenständen zu beschäftigen habe. Da vergangene
Entwicklungsabläufe und "Makroevolution" weder experimentell nachweisbar
noch direkt beobachbar sind, müßte die Abstammungshypothese und
damit die umfassende Evolutionstheorie aus den Naturwissenschaften herausfallen.
Dies ermöglicht es den Antievolutionisten, ihren Schöpfungsmythos
als gleichberechtigte Alternative dem Evolutionsgedanken entgegenzusetzen:
"In diesem Sinne sind allgemeine
Evolutions- und Schöpfungsvorstellungen vergleichbar, und zunächst
ist keine der beiden 'wissenschaftlicher' als die andere. Beide Sichtweisen
enthalten letztlich Grenzüberschreitungen, weil ihre Grundlagen
außerwissenschaftlicher (metaphysischer, philosophischer,
weltanschaulicher, religiöser) Art sind (...) Auf Ursprungsfragen sind
naturwissenschaftliche Erkenntnismethoden nur beschränkt anwendbar."
(JUNKER und SCHERER, 1998, S. 20)
Gegenargumente:
Wäre die erkenntnistheoretische
Richtung des Empirismus (derzufolge sich Wissenschaft nur mit dem direkt
Beobachtbaren und jederzeit Feststellbaren beschäftigen darf), richtig,
dürfte sich Naturwissenschaft nicht nur nicht mit den historisch vergangenen
und unbeobachtbaren Aspekten der Evolution, sondern auch nicht mit Disziplinen
wie der Kosmologie, der Geologie oder aber mit unbeobachtbaren Objekten
wie Schwarzen Löchern, Elementarteilchen oder Atomen beschäftigen.
Weisen Sie darauf hin,
daß auch Experimente, wie etwa das Klicken im Geigerzähler
oder die Gesetzmäßigkeiten chemischer Reaktionen niemals sichere
"Beweise" für postulierte Fakten, wie den Kernzerfall oder
die Existenz von Atomen liefern, sondern immer nur im Rahmen
vorgefaßter Theorien interpretiert und gedeutet werden können.
Betonen Sie, daß kein Mensch auf die Idee käme, die Atomtheorie
(nur weil Atome nicht beobachtbar sind) als "außerwissenschaftliche
Vorgabe einer Teilchenvorstellung" und die Experimente, die den Erwartungen
der Atomtheorie entsprechen, als "Deutungen im Rahmen einer
Grenzüberschreitung" zu bezeichnen. Naturwissenschaft ist gerade
die Wissenschaft vom Unbeobachtbaren, das durch Theorienbildung und
Dateninterpretation erschlossen wird. Wissenschaft kann niemals nach sicheren
"Beweisen" und Wahrheiten, sondern immer nur nach (fehlbaren) Belegen und
Erklärungen suchen!
Wissenschafts- und
erkenntnistheoretische Grundlagen
(!!!)
Wichtiger Hinweis:
Argumentieren Sie nicht, Evolution
sei eine "gesicherte Tatsache" und durch viele Beobachtungen "bewiesen".
Direkt nachweisen kann man immer nur Evolution, die sich auf demselben
Komplexitätsniveau abspielt ("Mikroevolution"). Evolution als
Gesamtprozeß ist dagegen nicht beobachtbar und keine"gesicherte Tatsache".
Das gilt wie betont natürlich auch für praktisch alle anderen
Erkenntnisgegenstände der Naturwissenschaft, wie Atome, Schwarze
Löcher, nichteuklidische Räume, Elementarteilchen usw. Daher
läßt sich aus der Feststellung, daß Evolution keine "gesichterte
Tatsache" ist, der Evolutionstheorie kein wissenschaftstheortischer Strick
drehen.
2. "Man kann Beobachtungen nicht nur im
Lichte der Evolutionstheorie, sondern auch zugunsten der Schöpfungstheorie
interpretieren. Evolution ist nur eine Deutungsmöglichkeit, keine
Deutungsnotwendigkeit."
Gegenargumente:
Natürlich kann man
grundsätzlich
für jede nur denkbare Beobachtung
übernatürliche Ursachen annehmen. So kann man etwa die
Ähnlichkeit zwischen den Arten als Hinweis auf ein "göttliches
Baukastenprinzip" werten, genauso gut aber auch den gegenteiligen Befund
(die vollkommene Unähnlichkeit der Arten) mit der "Phantasie des
Schöpfers" erklären. Entsprechend kann man mit der
Schöpfungsthese den systematischen, gleichzeitig auch und den denkbaren
Fall des völlig unsystematischen Verlaufs der Geschichte des Lebens
erklären. Mit Schöpfung läßt sich eine ganz junge Erde
(JUNKER und SCHERER), gleichermaßen aber auch eine alte (LÖNNIG)
in Einklang bringen. Selbst wenn im Experiment die Höherentwicklung
der Arten nachgewiesen wäre, ließe sich immer behaupten, daß
der Schöpfer nach demselben Prinzip die Arten erschaffen habe. Und wenn
der ganze Stammbaum auf dem Kopf stünde und sich alles vom Komplexen
hin zum Primitiven entwickelt hätte, wäre das kein "Problemfall",
der nicht im Lichte der Schöpfungstheorie gedeutet werden
könnte.
Kurzum: Die Daten können
aussehen wie sie wollen, nichts widerspricht Schöpfung. Theorien, die
aber einen Fall A und den gegenteiligen Fall Nicht-A gleichermaßen
problemlos erklären, erklären gar nichts. Deshalb ist
Schöpfung zwar immer eine logisch-attraktive Denkmöglichkeit, aber
keine wissenschaftliche Alternative zur Evolutionstheorie (vgl.
MAHNER, 1986; KANITSCHEIDER, 2000).
Warum
Schöpfungstheorien nicht wissenschaftlich sein können
3. "Viele Aussagen der Evolutionstheorie,
wie etwa die Abstammungshypothese, sind nicht widerlegbar. Beobachtungen,
die nicht ins Konzept der Evolutionstheorie passen, führen nicht zur
Widerlegung, sondern zur Modifikation derselben."
Gegenargumente:
Hier muß zwischen der
Falsifizierbarkeit (Widerlegbarkeit) von Theorien in der Praxis
und der prinzipiellen (logischen) Widerlegbarkeit von Theorien
unterschieden werden (MAHNER, 2001; POPPER, 1994). Wissenschaftliche
Theorien sind zwar prinzipiell zu widerlegen aber kaum in der
Praxis.
Eine Hypothese oder Theorie gilt
dann als prinzipiell falsifiziert, wenn es Beobachtungen gibt, die im Widerspruch
zu ihr stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beobachtung je machbar
ist, sondern nur, daß sie denkbar ist. Nur Theorien, die
prinzipiell widerlegbar sind, können wissenschaftlich sein.
Schöpfungstheorien sind nicht wissenschaftlich, weil keine Beobachtung
mit der Schöpferthese im Widerspruch steht (siehe oben). Dahingegen
wäre die Abstammungshypothese ("Makroevolution") prinzipiell widerlegt,
wenn man völlig unähnliche Arten fände oder die Formen im
Fossilienbefund unsystematisch aufeinanderfolgten (das wäre etwa der
Fall, wenn man ein Säugetier in einem Sediment fände, in dem es
noch keine Reptilien gab). Auch der Nachweis der gleichzeitigen Entstehung
aller Tier- und Pflanzengruppen würde die Evolutionstheorie logisch
widerlegen.
Eine logische Falsifikation
führt aber nicht unbedingt zur praktischen Verwerfung
einer wissenschaftlichen Theorie, denn für eine Falsifikation kann ja
auch eine falsche Hilfsannahme oder die irrige Interpretation einer Beobachtung
verantwortlich sein. Auch wenn die Theorie selbst für die Falsifikation
verantwortlich ist, führt dies in der wissenschaftlichen Praxis fast
nie zu deren Aufgabe. Wissenschaftlicher Fortschritt ist ja nur dadurch
möglich, daß Theorien, die logisch falsifiziert worden sind, nicht
verworfen, sondern schrittweise modifiziert und abgeändert werden, so
daß sie mehr erklären als die "älteren" Versionen.
So hat beispielsweise die logische
Falsifikation des "Rutherfordschen Atommodells" nicht zur völligen Aufgabe
der Atomvorstellung geführt, sondern zu deren Modifikation, die in der
Entwicklung des "Bohrschen Atommodells" gipfelte. Dessen Falsifikation
führte wiederum zur Entwicklung des "wellenmechanischen Atommodells"
(weitere Beispiele benennt CHALMERS, 2001).
Wissenschafts-
und erkenntnistheoretische Grundlagen
4. "Es gibt soviele offene Fragen und
Probleme, so daß Evolution insgesamt als zweifelhaft oder widerlegt
gilt."
Gegenargumente:
Es wird hier vergessen, daß die
Evolutionstheorie aus zwei Bereichen besteht, zum einen aus der Deszendenz-
(Abstammungs-) Hypothese, welche die Verwandtschaft der Lebewesen, also deren
Abstammung von einer oder einigen wenigen Stammarten lehrt, sowie aus
verschiedenen Kausaltheorien, welche die Ursachen und Mechanismen evolutiver
Veränderung zum Thema haben. Beide Bereiche sind insofern logisch
unabhängig, als beispielsweise, selbst wenn sich alle Kausaltheorien
(wie etwa die Selektionstheorie) als falsch herausstellen würden, nicht
folgte, daß damit die Deszendenzhypothese falsch wäre.
Daher können Kritiker aus der Feststellung,
daß dieser Mechanismus oder jener Entwicklungsschritt noch nicht
gelöst oder aber unzureichend zur Erklärung dieser oder jener Anpassung
sei, die umfassende Evolution nicht infragestellen, für die ja
unabhängig von der Kausalfrage eine Unzahl an Belegen spricht. Kurzum:
Ursachenfragen bilden nicht die Grundlage der Abstammungshypothese und der
Vorstellung von der Evolution allgemein, die es immer wieder neu zu
begründen gälte. Offene Detailfragen über den Ablauf und die
Triebkräfte der Evolution sind mit anderen Worten Antrieb der
Evolutionsforschung. Stellen Sie allgemein fest, daß die Grundfrage
der Evolution vom Stand der Ursachen- und Historienforschung logisch
unabhängig ist! (vgl. REMANE et al., 1973, S. 10; GÜNTHER, 1967;
MAHNER, 1986).
Im übrigen
sind unvollständig erklärte und unvollständig beschriebene
Sachverhalte der Normalfall in der empirischen Wissenschaft. Offene Fragen
kann man nicht für die Widerlegung einer Theorie halten. Man muß
sie im Rahmen eines Forschungsprogramms klären und die Theorie sukzessive
modifizieren. Nicht anders funktioniert Wissenschaft.
(!!!) Wichtiger
Hinweis:
Lassen Sie sich in der Auseinandersetzung
mit Antievolutionisten nicht auf Diskussionen ein, in denen Sie aufgefordert
werden, diesen oder jenen Entwicklungsschritt in der Evolution zu erklären!
Angesichts der Existenz von über 2 Millionen rezenten Arten wird es
einem sachlich kundigen und uneinsichtigen Evolutionskritiker niemals an
Beispielen mangeln um zu zeigen, daß viele Schritte in der Entstehung
eines bestimmten Merkmals noch nicht geklärt wurden. Wer sich dennoch
für die zweifelhaften Behauptungen, die Evolutionsmechanismen und Fossilien
seien ungeeignet, um "Makroevolution" zu erklären und die entsprechenden
Gegenargumente interessiert, der sei auf die folgenden Internetseiten und
Artikel verwiesen (VOLLMER, 1986, S. 20 ff.):
Über die Systemtheorie
der Evolution, "Makroevolution" und Evolutionsmechanismen
Die Rekonstruktion der
Stammesgeschichte: phylogenetische Systematik, Fossilien, Übergangsformen
und Artbildung
5. "Makroevolution ist aus
wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen unglaubhaft."
Gegenargumente:
Es läßt sich zeigen, daß
man mit dieser Argumentation alle Ereignisse beliebig unwahrscheinlich machen
und sie als nichtrealisierbar ausgeben könnte. Ein Beispiel: Man denke
sich einen Spieler, der die Aufgabe bekäme, hundertmal in Folge zu
würfeln und die Zahlen der Reihe nach auf ein Blatt Papier zu schreiben.
Jetzt läßt sich feststellen, daß die Wahrscheinlichkeit,
die realisierte Zahlensequenz zu bekommen (1/6)100, also "fast
Null" beträgt. Der Auffassung des Kreationismus entsprechend muß
nun der Schluß gezogen werden, daß die Entstehung solcher
Zahlenreihen "außerhalb des Bereichs der Wahrscheinlichkeit der sich
auf unserer Erde abspielenden Zufallsprozesse" liege.
Der Fehler liegt darin, daß
Wahrscheinlichkeitsberechnungen die Prämisse zugrunde liegt, ganz
bestimmte Ereignisse reproduziert zu bekommen. Weder beim
Würfeln noch in der Evolution müssen jedoch konkrete Konfigurationen
realisiert werden, denn es reicht ja bereits, wenn einem System durch
Modifikation irgendein beliebiger Überlebensvorteil erwächst.
Die Frage kann also nicht lauten "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit,
daß eine bestimmte Menge von selektionspositiven Veränderungen
im Organismus eintritt?", sondern es muß gefragt werden "Wie
wahrscheinlich ist die Entstehung irgendeiner vorteilhaften
Systemveränderung?".
Es ist aber nicht bekannt, welche
Biomoleküle unter welchen Bedingungen einem Organismus einen
Überlebensvorteil bescheren können, welche Gene wie miteinander
verschaltet werden können, damit sich eine vorteilhafte Genwirkkette
bildet, wieviele Möglichkeiten es gibt, um irgendeine Struktur sinnvoll
mit irgendeiner anderen zu kombinieren, wieviele Mehrfachfunktionen ein Organ
ausüben kann, wieviele Möglichkeiten es gibt, um überhaupt
Leben zu erschaffen usw. Daß solche Randbedingungen viel zu wenig erhellt
sind, ist ein unstrittiges Faktum. Mit diesem Nichtwissen im Rücken
läßt sich keine Evolutionskritik und Wahrscheinlichkeitsanalyse
betreiben, denn die Richtigkeit der von Evolutionsgegnern erhobenen
"Minimalforderungen" ist damit kaum nachweisbar.
(vgl. auch: MAHNER, 1986; RIEDL, 1990,
S. 176 und 352 und folgende Internet-Seite:)
Evolution und
Wahrscheinlichkeit - Entstehung von Leben
6. "Fehlende Übergangsformen zwischen
den hierarchischen Kategorien und die unsystematische (mosaikartige) Verteilung
von Merkmalen sprechen gegen Makroevolution."
Gegenargumente:
Die Fossilisation ist von einer Vielzahl
günstiger Umstände abhängig. Im Regelfalle werden tote
Tierkörper und Pflanzenreste schnell der Verwesung preisgegeben.
Hartschalige Überreste sind, insbesondere in ehemals marinen Habitaten,
häufiger anzutreffen, was allerdings voraussetzt, daß Ablagerung
und nicht Abtragung dominiert. Desweiteren dürfen die in Sedimente
eingebetteten Überreste nicht im Laufe der Erdgeschichte infolge des
Kontakts mit Magma im Erdmantel, hoher Drücke oder durch Erosion
zerstört werden, was oft der Fall ist. Und schließlich müssen
Fossilien erst einmal gefunden werden, bevor man sie paläobiologisch
einordnen kann. Argumentieren Sie deshalb, daß der Fund eines Fossils
ein echter Glücksfall darstellt. Dies verdeutlicht auch folgende Relation:
In allen Museen der Welt hat man bis heute nicht mehr als ca. 250.000 Arten
ausgestellt, die einen Zeitraum von ca. 600 Millionen Jahren
repräsentieren. Allein die Zahl der heute lebenden Arten übersteigt
diesen Wert aber bereits um rund das zehnfache, was eindrucksvoll die Existenz
von Überlieferungslücken belegt!
Weisen Sie außerdem darauf hin,
daß auch "systematische Lücken" zu einem großen Teil Trugbilder
sind, die ihre Wurzel in deren Einordnung in die fiktiven Schubladen der
hierarchischen Kategorien (Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen
usw.) haben:
"Wenn man sich Kunstgebilde herstellt,
wie es die Typen des Systemes sind, wenn man das tierische System in die
'Zwangsjacke der Typenlehren' (Groß) steckt, dann kann man sich
schließlich nicht wundern, 'daß die Lückenhaftigkeit
der Überlieferung ausgerechnet immer nur diese Generationenfolgen zwischen
den Bauplänen' betrifft."
(HEBERER, 1943, S. 251)
Stellen Sie desweiteren fest, daß
sich die Fossilien - wie evolutionstheoretisch zu erwarten ist - systematisch
verändern und sich mit abnehmendem Alter in ihrer Form immer mehr den
heute lebenden Arten angleichen. Fragen Sie bei der Gelegenheit auch, wie
eine Fossilienreihe aussehen müßte, damit die Schöpfungsidee
prinzipiell widerlegt wäre. Es zeigt sich, daß die Behauptung,
Fossilien würden auf eine Schöpfung hindeuten, prinzipiell nicht
widerlegt werden kann. Die
Schöpfungsalternative erklärt so gesehen überhaupt nichts:
Was man auch immer in der Natur findet, alles läßt sich mit der
"Phantasie des Schöpfers" erklären (zu all dem vgl. MAHNER,
1986, S. 60; MAYR, 1967, S. 465 f.; REMANE et al., 1973, S. 32).
Schließlich ist die erhobene
Forderung, daß die Merkmale bei fossil überlieferten
Übergangsformen nicht mosaikartig verteilt sein dürften, sondern
in allen Charakteren eine Mittelstellung zwischen den zu
überbrückenden Organismengruppen einnehmen müssen, unsinnig
(MAYR, REMANE et al.). Artspaltung und die unterschiedlichen
Evolutionsgeschwindigkeiten der Merkmale haben ja gerade den Mosaikmodus
der Evolution zur Folge. Evolution verläuft also nicht, wie der
Antievolutionist irrigerweise glaubt, über ein lückenloses
Formenkontinuum, sondern mosaikartig.
Die Rekonstruktion
der Stammesgeschichte: Fossilien, Übergangsformen und Artbildung
7. "Im Experiment lassen sich immer nur
Mutationen nachweisen, die zur Variation von bereits bestehenden Bauplänen
führen. Echte Höherentwicklung ist nicht nachweisbar und derzeit
auch nicht mechanistisch erklärbar."
Gegenargument:
Es kann im Experiment
kaum gelingen, Höherentwicklung ("Makroevolution") nachzuweisen, weil
wir die Daten gleichsam immer nur aus der "Mausperspektive" beurteilen und
einen viel zu kurzen Zeitabschnitt empirisch direkt verfolgen können,
als daß etwas anderes als "Mikroevolution" zu beobachten wäre.
Schließlich fehlen den Biologen
auch geeignete Selektionsmechanismen um entscheiden zu können, welche
Merkmale "erfolgversprechend" sind, um einen neuen Typ aufzubauen. Man kann
gewiß willkürlich neue Phänotypen heranzüchten und gezielt
sein Augenmerk auf ein bestimmtes Merkmal richten. Um einen völlig neuen
"Organisationstyp" herauszupräparieren, müssen aber neue
Gewebsstrukturen auf- oder angebaut werden, die auch im Hinblick auf das
"Binnenmilieu" hinreichend stabil sind und dem Organismus eine
größere Komplexität und neue Eigenschaften verschaffen. Solche
kleine erfolgversprechende phänotypische Veränderungen (die sich
zunächst einmal auf der molekularen, zellulären oder organischen
Ebene abspielen), werden im Ansatz entweder gar nicht erkannt oder aber
irrtümlicherweise als "Mißbildungen" verkannt werden. Es ist dagegen
kaum zu vermeiden, daß der Experimentator immer wieder Mutanten
auswählt, die aufgrund innerer Mißbildungen und ungünstiger
Genkombinationen untüchtiger sind als deren Vorgänger. Im Laufe
der Zeit werden sich auch immer mehr unsichtbare Mutationen aufsummieren,
die sich zunehmend ungünstig auf die Fitneß der Mutanten auswirken.
Hier wird besonders deutlich,
daß sich Naturwissenschaft nicht auf das direkt beobachtbare
beschränken darf, sondern über den Tellerrand unserer
beschränkten Erkenntnisfähigkeit hinauszublicken hat. Auch die
Behauptung, daß die Mechanismen noch nicht nachgewiesen werden konnten,
welche die Entstehung von etwas grundsätzlich Neuem erklären
könnten, ist anfechtbar und wurde insbesondere von den Verfechtern
der Systemtheorie der Evolution infragegestellt. An dieser Stelle können
wir hier nicht auf Details eingehen und nur auf den folgenden Essay
verweisen:
Über die Systemtheorie
der Evolution, "Makroevolution" und Evolutionsmechanismen
8. "Die Evolutionstheorie widerspricht
den Aussagen der Bibel und läßt sich nicht mit dem Glauben
vereinbaren."
Gegenargumente:
Die Evolutionstheorie widerlegt
weder die Existenz eines Schöpfers noch läßt sie sich nicht
mit dem Glauben vereinbaren. Die meisten Christen (und selbst der Papst!)
sind von der Richtigkeit des Evolutionsgedankens überzeugt, weil sie
annehmen, daß Gott ein Universum geschaffen hat, das sich von selbst
(naturalistisch) entwickelt. Wird die Bibel jedoch nicht als metaphorisches
Zeitdokument, sondern wortwörtlich verstanden, muß man annehmen,
daß das Universum 6000 Jahre als sei, in 7 Tagen erschaffen wurde und
daß ein Schöpfer beständig in die Entwicklung der Welt
eingegriffen hat. Eine derart archaische Glaubensvorstellung läßt
sich in der Tat nicht mit der Evolutionstheorie unter einen Hut bekommen.
Betonen Sie, daß hier der
wortwörtliche Bibeltext mit praktisch allen wissenschaftlichen Disziplinen,
Theorien und Erkenntnissen auf dem Kriegsfuß steht! Hätte die
Bibel nämlich recht, dann wäre nicht nur die Evolutionstheorie
falsch, sondern auch alle Theorien, auf die sie zurückgreift. Entsprechend
müßte nicht nur die Evolutionstheorie völlig umgeschrieben
werden, sondern auch die gesamte Erdgeschichte. Zuerst käme die
Geologie und Paläontologie dran. Weil die
Geologie auf radiometrische Altersbestimmungen zurückgreift,
müßten auch die entsprechenden physikalischen und chemischen
Theorien, die diese zum Inhalt haben, falsch
sein. Selbstverständlich bräuchten wir dann auch keine
Biogeographie mehr, und auch die Theorie der
Plattentektonik fiele unter den Tisch. Noch schlimmer erginge
es den kosmologischen und astrophysikalischen
Theorien, denn innerhalb der sich nach Jahrmilliarden bemessenden Zeiträume
ginge es auch in der Entstehung und Entwicklung des Universums mit "rechten
Dingen" zu. Schließlich könnte man auch behaupten, daß die
Experimente in der Physik und Chemie von einem Schöpfer gesteuert
würden.
Eine Theorie, die jedoch alle
neuen Erkenntnisse leugnet und praktisch alle Theorien der modernen Wissenschaft
über den Haufen fegt, kann selbst weder rational begründbar noch
wissenschaftlich, geschweige denn erkenntnistheoretisch wertvoll sein. Stellen
Sie fest, daß insbesondere die radioaktiven Zerfallsgesetze empirisch
(!) feststellbar sind und damit auch das Alter der Erde, das nach der
äußerst zuverlässigen
Isochronmethode
zu 4,55 Milliarden Jahre bestimmt wurde. Es gibt keine einzige Evidenz für
eine "junge Erde", geschweige denn für eine Sintflut.
9. "Die Wissenschaft schließt -
trotz der Existenz von Erklärungsproblemen - Schöpfung als
Erklärungsursache aus. Sie ist daher dogmatisch naturalistisch
ausgerichtet."
Gegenargumente:
Naturwissenschaften können
prinzipiell nur naturalistisch operieren, das heißt, sie müssen
Schöpfung als Erklärung methodisch ausschließen. In diesem
Sinne sind sie nicht "methodisch atheistisch", sondern generell streng
asupernaturalistisch ausgerichtet. Diese Ontologie liegt nicht nur allen
experimentell zugänglichen Disziplinen und Theorien zugrunde, sondern
auch allen historisch-theoretischen Ansätzen. Wissenschaft kann schlicht
und ergreifend keine Aussagen über einen empirisch durch nichts zu
widerlegenden Schöpfer machen, sondern nur auf die ihr zur Verfügung
stehenden Möglichkeiten zurückgreifen.
Um überhaupt eine Beobachtung
erklären zu können, müssen gesetzmäßige
Aussagen formuliert werden. Nur Gesetzesaussagen kann man prüfen
und prinzipiell widerlegen. Ein Schöpfer unterliegt jedoch keinen
gesetzesmäßigen Zwängen, weil er "allmächtig" ist. Folglich
läßt sich jede nur denkbare Beobachtung auf die freie
Entschlußkraft eines Schöpfers zurückführen, und es
ist einfach nicht mehr entscheidbar, welche Daten die Revision der
Schöpfungsthese notwendig machen könnten. Unter solchen Voraussetzungen
wäre kein wissenschaftlicher Fortschritt möglich, denn er setzt
ja voraus, daß Theorien überprüft (oder eingeschränkter:
logisch widerlegt) und gehaltsvermehrend überarbeitet werden
können.
In jedem Falle ist nichts
erklärt, wenn man eine bislang ungelöste Frage durch den bekannten
"Lückenbüßergott" ausfüllt. Wer anhand eines offenen
Problems einfach behauptet "ein Schöpfer war am Wirken", weicht dem
Problem aus, denn anstelle einer Erklärung wird einfach nur der
unerklärte Ratschluß eines Schöpfers bemüht. Da Wissenschaft
aber nach nichts anderem sucht als nach Erklärungen, kann sie mit einer
übernatürlichen Wesenheit als "erklärendes" Agens nichts anfangen.
Außerdem versperrt ein
Schöpfer jeder weiteren Forschung den Weg. Wenn man alle bestehende
Fragen einfach durch einen "Schöpfer" ausfüllen wollte, bliebe
nichts mehr übrig, was man erklären und erforschen könnte.
Die Schöpfungsidee macht also Wissenschaft überflüssig, ja
sogar unmöglich. In diesem Sinne ist der Naturalismus nicht einfach
eine dogmatische Gegenposition zur supernaturalistischen Schöpfungsidee,
sondern erkenntnistheoretisch und methodologisch begründet. Daß
es der Wissenschaft gelungen ist, ein in sich stimmiges Theoriennetzwerk
zu konstruieren, macht den Naturalismus zu einer überaus heuristisch
fruchtbaren Ontologie.
10. Der größte Irrtum im
Antievolutionismus
Der wohl größe Irrtum in der
antievolutionistischen Argumentation liegt in der originären Zielsetzung
ihrer Adepten. Die Evolutionskritik kann im Rahmen der Schöpfungsidee
nur dann überhaupt einen Sinn machen, wenn die vermeintliche
Fragwürdigkeit des Evolutionskonzepts in Argumente für die
Schöpfungsvorstellung umgemünzt werden. Stellen Sie fest, daß
man, selbst wenn es gelungen wäre, die Evolutionsvorstellung komplett
zu widerlegen, kein einziges Argument in Händen hielte, das die Idee
von dem "intelligenten Programmierer" evident erscheinen ließe.
Argumentieren Sie daher, daß, man aus der Falschheit des
Evolutionsgedankens nicht die Existenz eines Schöpfers ableiten kann.
Wie wir gesehen haben, ist die
Schöpfungsidee nicht einmal im Prinzip widerlegbar. Man bekommt demzufolge
durch keine spezifische Beobachtung einen wirklichen Hinweis auf die Existenz
eines Schöpfers. Dieses methodologische Dilemma ist der Hauptgrund für
die heuristische Unfruchtbarkeit und Unwissenschaftlichkeit der
Schöpfungsvorstellung. Weisen Sie unbedingt darauf hin, daß es
den Schöpfungstheoretikern prinzipiell nicht gelingen kann, ihre Postulate
durch Beobachtungen zu bereichern, weshalb sie auf die Destruktion der
transspezifischen Evolutionsidee ausweichen müssen. Betonen Sie, daß
kein Schöpfungsgläubiger zur Klärung der Frage, ob ein
Schöpfer existiert, jemals einen profunden Beitrag hat leisten können.
Literaturhinweise:
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http://www.dinosauria.de/kladistik.html
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G (ed.) (1967) Die Evolution der Organismen, Bd. I. S. 3-60
Heberer G (1943) Experimentelle Phylogenetik und Typensprunglehre. Stellungnahme
zu dem vorstehenden Aufsatz von O. H. Schindewolf: Zur Frage der sprunghaften
Entwicklung. Der Biologe, 12, S. 248-255
Junker R, Scherer S (1998) Evolution - Ein kritisches Lehrbuch, Weyel
Kanitscheider B (2000) Wissen und Religion. In: Spektrum der Wissenschaften,
Januar-Heft 2000. S. 8 f.
Mahner M (1986) Kreationismus - Inhalt und Struktur antievolutionistischer
Argumentation. Berlin
Mahner M, Bunge M (2000) Philosophische Grundlagen der Biologie, Springer-Verlag,
Berlin
Mahner M (2001) Stichwort: Falsifizierbarkeit. Naturwissenschaftliche Rundschau,
54. S. 677-678
Mayr E (1967) Artbegriff und Evolution. Berlin, Hamburg, Parey. S. 465 f.
Popper KR (1994) Zwei Bedeutungen von Falsifizierbarkeit. In: Seiffert H,
Radnitzky G (Hrsg.) (1994) Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. dtv,
München
Remane A et al. (1973) Evolution. Tatsachen und Probleme der Abstammungslehre.
München
Riedl R (1990) Die Ordnung des Lebendigen. Systembedingungen der Evolution.
Parey-Verlag
Vollmer G (1986) Kann es von einmaligen Ereignissen eine Wissenschaft geben?
In: Was können wir wissen? Bd. 2 die Erkenntnis der Natur, Hirzel, Stuttgart
Last
update:
22.09.02
Zur
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