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Die Kontroverse um den Birkenspanner 'Biston betularia'

- Die Evolutionsgegner: Besprechung der Kritiken von LÖNNIG und RAMMERSTORFER -                 

                       

1. Einstieg

Aufgrund der stetig wachsenden Zahl an Publikationen, in denen die Fundamentalkritik der Evolutionsgegner an der "Birkenspanner-Story" zurückgewiesen wird (vgl. z.B. COYNE, 2002; GRANT, 2001, 2002; MAJERUS, 1999, 2003 a, 2003 b; MUSGRAVE, 2002; RUDGE, 2002), hat sich LÖNNIG, der hierzulande wohl zu den lautesten Kritikern der Birkenspanner-Geschichte gehört, zu einer umfangreichen Besprechung durchgerungen und im Internet veröffentlicht (LÖNNIG, 2003 b). Zeitgleich hat auch RAMMERSTORFER eine sehr kritische Besprechung der Geschichte, insbesondere auch meiner LÖNNIG-Kritik vorgenommen. Der Grundtenor beider Repliken ist im wesentlichen gleichlautend und beinhaltet einen Hauptkritikpunkt, auf den wir in Abschnitt 6 näher einzugehen haben.

LÖNNIGs Artikel ist vergleichsweise sachlich und, im Gegensatz zur KUTSCHERA-Kritik (LÖNNIG, 2003 a), weitaus seltener von polemisch-herablassenden Kommentare durchtränkt, obgleich der Schreibstil noch immer verhältnismäßig aggressiv wirkt. (An dieser Stelle muß auch ich selbstkritisch einräumen, daß meine LÖNNIG-Kritik in einem weniger indignierten Ton hätte ausfallen können - Polemik, da hat RAMMERSTORFER Recht, muß nicht unbedingt sein. Der Leser sei jedoch eingeladen, LÖNNIGs Kritik gegen KUTSCHERA - die nach meiner Auffassung weder stilistisch noch inhaltlich etwas mit einer Rezension zu tun hat und rein auf die Diskreditierung der Person abzielt - unter demselben Gesichtspunkt zu analysieren.)

LÖNNIG und RAMMERSTORFER betonen, daß sich die Streitfrage auf die, wie behauptet wird, nach wie vor ungeklärten Selektionsmechanismen konzentriere, womit die simplistisch-reduktionistische Lehrmeinung der orthodoxen Vertreter der Synthetischen Evolutionstheorie zum Hauptangriffsziel erklärt wird. RAMMERSTORFER distanziert sich dabei (zugegebenermaßen wohltuend) von jenen Kreationisten, die mitdazuhin die Evolutionstheorie entsorgt sehen wollen und stellt fest:

"Es geht in Wirklichkeit rein darum, dass die Biston-Story wie sie in den Lehrbüchern (meist auch den ganz neuen, s.o.) kursiert falsch ist. Nicht bezweifelt wird, dass der Fall 'Birkenspanner' ziemlich wahrscheinlich ein Beispiel für natürliche Selektion ist - geschweige denn, dass natürliche Selektion an sich existiert (...) Keine Rede ist jedoch von den falschen Punkten der Standardstory, nirgends liest man davon, dass 'peppered moths do not naturally rest in exposed positions on tree trunks' (MAJERUS 1998, S.121)."


Es geht also, so wird dem Leser vermittelt, um eine möglichst objektive und wissenschaftliche Besprechung der sogenannten "Tatsachen", wobei man sich gleichsam "im Dienste der Wissenschaft und Wahrheit" dazu verpflichtet sieht, die Sachverhalte richtigzustellen.

             

Obwohl die Evolutionsgegner einige voreilig erhobenen Behauptungen zurecht kritisieren, zeigt sich aber, daß sie sich nicht auf den "konstruktiven" Aspekt beschränken. Zwar wird betont, daß die Kritik an der Anpassungsgeschichte die Wissenschaft "beflügele", doch die evolutionskritische Argumentation ist teilweise von Generalisierungen und Interpretationen durchzogen, die nicht haltbar oder zumindest fragwürdig sind.

Im Hinblick darauf gilt es den Nachweis zu führen, daß die Standpunkte der Evolutionskritiker weniger (jedoch teilweise auch) in sachlichen Fragen von jenen der Fachwelt abweichen, sondern eher auf der methodologischen Ebene miteinander kollidieren, daß also Evolutionskritiker eine Interpretations- und Argumentationsebene wählen, die sich von der wissenschaftlichen Ebene der Biologen fundamental unterscheidet.

So ist beispielsweise festzustellen, daß in evolutionskritischen Diskussionen (meist an wechselnden Beispielen) mechanismische Detailfragen (Spezifika), die eine bestimmte Spezies oder Gruppe betreffen, erörtert und gegen die Belege allgemeiner Evolutionsvorstellungen ausgespielt werden. Die Strategie, artspezifische Kausalfragen und die Evidenzen allgemeiner Theorien bzw. Erklärungen zu vermengen, wird auch in der "Biston-Frage" konsequent verfolgt. Wir wollen sie im folgenden Abschnitt untersuchen und kritisieren.

                                                                                                       

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