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Die Kontroverse um den Birkenspanner 'Biston betularia'

- Die Evolutionsgegner: Besprechung der Kritiken von LÖNNIG und RAMMERSTORFER -

                                                                      

4. Eine wissenschaftstheoretische Betrachtung: Skeptizismus vs. Methodologie

Wie funktioniert Wissenschaft? Eine Erläuterung am Beispiel des differenziellen Vogelfraßes

LÖNNIG hat einige der im letzten Abschnitt diskutierten Hauptfragen (sowie die MAJERUS-Tabellen) in seiner neueren Arbeit (LÖNNIG, 2003 b) doch noch (allerdings erst unter dem Druck der Kritik) näher besprochen, ja auch die Rolle des differenziellen Vogelfraßes will er als Faktor nicht kategorisch ausschließen. Allerdings hat er meines Erachtens, wie dies jüngst ein Diskussionspartner etwas salopp aber recht treffend formuliert hat, auch hier wieder vorrangig die "(...) eigentliche Frage: 'welche Rolle spielt die Selektion durch differenziellen Vogel-Fraß beim Industrie-Melanismus' (...) geschickt auf die Frage: 'Wo befinden sich die Viecher tagsüber' umgelenkt."

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, daß es noch weitere (mögliche) Selektionsfaktoren gibt, die untersucht werden müssen, bevor man diese Frage (bird predation) wissenschaftlich beantworten kann. Und ganz so, als ob MAJERUS im Hinblick auf "Kettlewell's work,..." (including the) "...reciprocal nature of Kettlewell's results in Birmingham and Dorset" "... and eight other independent studies..." nicht schon eine Reihe von Evidenzen in Händen hielte, um beim gegenwärtigen Kenntnisstand die "bird predation" als wohlbegründeten Selektionsfaktor anzusehen (fast so, als gäbe es die "subsequent studies" überhaupt nicht), wird hervorgehoben:

"Das kann selbst Majerus natürlich nicht von vornherein w i s s e n. Es handelt sich vielmehr um eine Frage, die erst noch mit genauen Studien und Daten beantwortet werden muss. Ich bin zwar auch der Auffassung, dass 'differential bird predation of moth morphs on changing backgrounds' hier eine bedeutende selektive Rolle spielen könnte, aber die Antwort kann nicht ohne jegliche weitere Forschung schon als 'sicher gegeben' betrachtet werden. Das ist auch die Message von Majerus, wenn er schreibt (p. 125): 'Although observations of peppered moths being taken from natural resting positions are still lacking and are urgently needed, it is highly probable that predation levels are significant.' (...)

Wird jedoch eine offene Frage schon als 'ganz sicher beantwortet' betrachtet, dann kann eine solche Geisteshaltung den naturwissenschaftlichen Fortschritt behindern. Auch die Fledermausfrage müsste erst gründlich untersucht werden, bevor eine Entscheidung auf Grund ausreichender Daten möglich ist (...) Gibt es irgendwelche geringfügigen Unterschiede zwischen den morphs, die Fledermäuse wahrnehmen könnten? Inwieweit könnte sich Luftverschmutzung durch sulphur dioxide and soot auf die Echoorientierung auswirken etc.? - Bei "90% of the predation of adult moths" sollten solche Fragen jedenfalls nicht vor vornherein abgelehnt werden."

                                  

Was die Fledermausfrage anlangt, so gibt es dazu übrigens neue Erkenntnisse; vgl. Aktueller Nachtrag zur "Fledermausfrage" (bat predation). Doch davon einmal abgesehen, müssen wir hier wieder etwas grundsätzlicher werden, die Behauptung auf metatheoretischer Ebene analysieren und dabei auch einige Aspekte, die bereits in Abschnitt 5 angeklungen sind, rekapitulieren und vertiefen: Wie funktioniert Wissenschaft?

LÖNNIGs Position trägt (wie die antievolutionistische Grundhaltung überhaupt) unübersehbar skeptizistische Züge, die sich aus streng erkenntnistheoretischer Sicht zunächst auch rechtfertigen lassen.So müssen wir den Kritikern die Zurückweisung allzu apodiktisch vertretener Tatsachen-Behauptungen durchgehen lassen, weil es in der Tat so etwas wie "absolut sicher gegebenes" Wissen (auch in der Birkenspanner-Frage) nicht gibt. Ich selbst habe schon verschiedentlich die, leider nur allzuoft auch im Lager der Evolutionsbiologie erhobene, Feststellung kritisiert, daß es "gesicherte Tatsachen" gäbe oder geben könnte. Es ist ja geradezu trivial, daß jeder Versuch einer Letztbegründung in einem "unendlichen Regress" endet, das heißt, wir können prinzipiell nicht wissen, ob wir überhaupt jemals etwas über die Welt in Erfahrung bringen können (vgl. VOLLMER, 1985).

Wiewohl also die Existenz von "sicheren Tatsachen" erkenntnistheoretisch bestritten werden kann und jedem ernstzunehmenden Einwand in der wissenschaftlichen Forschung auch nachgegangen werden sollte, wird in der Evolutionskritik jedoch immerzu vergessen, daß der Skeptizismus heuristisch steril ist und es nicht erlaubt, überhaupt noch irgendwelche Schlußfolgerungen und positive Behauptungen aufzustellen. Das heißt mit anderen Worten, daß die fundamentale Skepsis der Evolutionsgegner in wissenschaftliche Bereich hineinspielt (obwohl sie aufgrund ihrer weltanschaulichen Präferenzen natürlich keinen konsequent erkenntnistheoretischen Skeptizismus vertreten), wo sie mit der allgemein üblichen Methodologie kollidiert.


Abgesehen davon, daß die Rastplatzfrage tatsächlich sauberer hätte eruiert und mit der empirischen Datensituation hätte in Einklang gebracht werden müssen, muß natürlich jeder Wissenschaftler Hypothesen und Theorien aufstellen und diese de facto als "wahr" vertreten, wenn sie durch Befunde, Theoreme und (im Sinne der Korrespondenztheorie) eine Reihe weiterer "Wahrheitsindikatoren" gestützt werden (MAHNER und BUNGE, 2000, S. 129-131). Dabei ist, wie MAHNER und BUNGE betonen, "empirische Adäquatheit" (die im Fall der "bird predation" zweifelsohne vorliegt) nicht alles, "worauf es ankommt":

Wissenschaftler postulieren in aller Regel zunächst ein hypothetisches Faktum, wenn sie dieses zur Erklärung eines bestimmten Phänomens brauchen. Aus einem solch hypothetischen, theoretischen Element werden dann Schlußfolgerungen gezogen (deduziert), die man dann empirisch zu testen hat; hat sich die Theorie empirisch bewährt, erlangt sie Evidenz und gilt als (mehr oder minder gut) bestätigt. Doch ein solcher (hypothetisch-deduktiver) Schluß ist in aller Regel nicht eindeutig, weil er über die Prämissen hinausgeht. Das heißt, es gibt immer eine Reihe von Alternativen, um eine Beobachtung zu interpretieren. Die streng logischen Beweise, die Evolutionsgegner von Wissenschaftlern einfordern, sind grundsätzlich nicht zu bekommen. Darüber hinaus sind selbst die "besten" Theorien der Wissenschaft immer mehr oder minder imperfekt, das heißt es gibt in fast allen Wissenschaftsbereichen offene Fragen bzw. Falsifikationen, die noch der Lösung harren (näheres zu diesem Thema in den Abschnitten 8 und 9 sowie unter: http://www.martin-neukamm.de/junker1_2.html).

Wissenschaftler verwenden den Begriff der "Wahrheit" aber selbst dann, wenn sie sich darüber im Klaren sind, daß ihre Theorien unvollständig und partiell fehlerbehaftet sind, noch nicht alles erklären können, was es zu erklären gilt und streng logisch bewiesene "Tatsachen" gar nicht erreichbar sind. In diesem Sinne müssen alle Naturwissenschaftler, zwar eine kritische, so doch aber eine streng realistische (und keine skeptizistisch angehauchte) Erkenntnistheorie vertreten, wenn das Betreiben von Forschung (die ja von dem Glauben angetrieben wird, wenigstens approximative "Wahrheiten" zu finden), überhaupt einen Sinn machen soll (MAHNER und BUNGE, a.a.O.).


                                                        

Auf KETTLEWELLs und die "eight other independent studies" gemünzt bedeutet dies, daß niemand deren Ergebnisse und Evidenzen kritisieren kann, ohne wenigstens ganz valide ("positive") Belege in Händen zu halten, die aufzeigen, daß die mutmaßlichen Zusatzfaktoren die selektionstheoretische Situation tatsächlich völlig auf den Kopf stellen (und nicht nur rein quantitativ beeinflussen, wie dies im Falle des Fledermausfraßes, des "Wechsels" des Rastplatzes vom Birkenstamm zum Blätterdach usw. der Fall sein könnte). Wenn sich herausstellt, daß eine Situation komplexer ist als bislang angenommen, bedeutet dies nicht automatisch, daß die "simplistische" Zustandsbeschreibung völlig fragwürdig ist, sondern nur, daß sie imperfekt ist. Und weil es keine "gesicherten Tatsachen" gibt, können Evolutionsgegner auch keine "Beweise" im streng logischen Sinne von den Wissenschaftlern einfordern und (eventuell falsifizierende) Beobachtungen auch nicht zu "festen Tatsachen" erklären, so als ob diese von vorn herein für sich selber sprechen könnten.

                       


LÖNNIG gebraucht den Begriff "Tatsache" (als Synonym für "Wahrnehmung" oder "Beobachtung") jedoch elf mal in seinem Biston-Text, in einigen Schriften noch häufiger, und zwar ausnahmslos immer dann, wenn es um Beobachtungen geht, die sich angeblich nicht mit der Evolutionstheorie und/oder Birkenspanner-Geschichte vereinbaren lassen. Gleichzeitig weist er aber die Tatsachen-Behauptung mit streng wissenschaftlichem Habitus von sich, sobald sie von einem Evolutionsbiologen aufgestellt wird, um nur einige Zeilen später wieder zu jenen "Tatsachen" überzuleiten, die die Deszendenzhypothese/Birkenspannergeschichte "widerlegen" oder infragestellen (vgl. z.B. LÖNNIG, 2002: http://www.weloennig.de/Popper.html).

                               

Ich denke, wer sich hier nicht von vorn herein widersprechen möchte, kann nicht umhin festzustellen, daß POPPER nicht nur den Absolutheitsanspruch von Theorien, sondern genauso auch die Selbstevidenz von Beobachtungsaussagen zurückgewiesen, das heißt den naiven Tatsachenbegriff und dogmatischen Falsifikationismus ganz generell bestritten hat (vgl. Exkurs über POPPER). Es sollte ja klar sein, daß es niemals "bewiesene Beobachtungen" gibt, wenn es keine "bewiesenen Theorien" geben kann (andernfalls wären es die empirischen Aussagen selbst, die im POPPERschen Sinne "metaphysisch" sind, so daß sie auch keine falsifizierenden Qualitäten mehr haben).

Letztenendes läuft alles auf eine möglichst rationale Interpretation (oder um mit MAHNER und BUNGE zu sprechen: auf eine "ratioempirische" Methode) hinaus, das heißt auf eine wechselseitige Durchdringung von theoretischen Vorgaben und Beobachtungen, weil es eine "natürliche Grenze" zwischen theoretischen und Beobachtungsaussagen (den vermeintlichen "Tatsachen") nicht gibt.

FEYERABEND, der Vertreter des "anything goes" und gewissermaßen der "Anarchist" unter den Wissenschaftstheoretikern, hält selbst diese Auffassung noch für überzogen, und obwohl ich mich mit seiner Position sensu stricto nicht identifizieren kann, liegt doch ein Körnchen Wahrheit in seiner Aussage. FEYERABEND stellt fest:

"Keine der Methoden, die Carnap, Hempel, Nagel, Popper oder selbst Lakatos heranziehen möchten, um wissenschaftliche Veränderungen rational zu machen, läßt sich anwenden, und die einzige Methode, die übrigbleibt, die Widerlegung wird stark geschwächt. Es bleiben ästhetische Urteile, Geschmacksurteile, metaphysische Vorurteile, religiöse Bedürfnisse, kurz, es bleiben unsere subjektiven Wünsche: die fortgeschrittensten und allgemeinen Bereiche der Wissenschaft geben dem einzelnen eine Freiheit zurück, die er in ihren einfacheren Teilen zu verlieren schien."

(FEYERABEND, 1983, S. 369)

                                                 

Dagegen äußert sich CHALMERS, ganz dem Boden des "Ratioempirismus" verhaftet, wieder etwas respektvoller bzw. differenzierter und vertritt eine Methodologie, die heute unter Wissenschaftlern wie Wissenschaftsphilosophen weitgehend anerkannt wird. So weist er auf den wichtigen Umstand hin, daß es keine selbstevidenten, theoriefreien Tatsachen bzw. Beobachtungen gibt; ein Umstand, den praktisch alle Evolutionsgegner (zumindest all jene, die ich kenne) von vorn herein nicht verstehen (Hervorhebungen von mir):

"Aussagen über Tatsachen sind nicht direkt durch Sinnesreize determiniert, und Beobachtungsaussagen setzen Wissen voraus, sodass es nicht möglich ist, erst die Tatsachen festzustellen und dann daraus Wissen abzuleiten (...) Unser Ausgangspunkt war eine extreme Interpretation der Aussage, dass Wissenschaft auf Tatsachen beruht. Damit sollte impliziert werden, dass Tatsachen vor dem Erreichen wissenschaftlicher Erkenntnis durch sie erwiesen sein müssen (...) Die Tatsache, dass Beobachtungsaussagen einen geeigneten konzeptionellen Rahmen voraussetzen zeigen, dass dieser Forderung auf keinen Fall nachgekommen werden kann. Bei genauerer Betrachtung ist es sogar eine ziemlich abwegige Idee, so abwegig, dass sich wohl kein Wissenschaftsphilosoph finden würde, der bereit wäre, sie zu verteidigen (...) Die Forderung, dass die Sammlung von Tatsachen vor der Formulierung von Gesetzen und Theorien, die wissenschaftliche Erkenntnis konstituieren, stehen muss, muss daher fallen gelassen werden."

"Eine Schwierigkeit bezieht sich auf den Umfang, in dem Wahrnehmung durch das Hintergrundwissen und die Erwartung von Beobachtern beeinflußt wird, sodass das, was für den einen eine beobachtbare Tatsache ist, für andere nicht zwangsläufig so sein muss. Eine zweite Schwierigkeit bezieht sich auf den Umfang, in dem Beurteilungen des Wahrheitsgehalts von Beobachtungsaussagen davon abhängen, was bereits gewusst bzw. zumindest angenommen wird, sodass beobachtbare Tatsachen ebenso fehlerbehaftet sein können wie die Vorannahmen, die ihnen zugrunde liegen. Beide Schwierigkeiten legen nahe, dass die Beobachtungsgrundlage von Wissenschaft nicht so klar und sicher ist, wie gemeinhin angenommen."

(CHALMERS, 2001, S. 14; 17/18)

                                             

Aus diesem Grund steht natürlich auch im Hinblick auf die Komplexität der selektionstheoretischen Situation in unserem "Biston-Beispiel" keinesfalls "außer Frage", daß "(...)Kettlewell bei seinen Experimenten massive Fehler unterlaufen sind (...)", wie RAMMERSTORFER schreibt (und in ähnlicher Form auch von LÖNNIG und vielen anderen Evolutionskritikern so gesehen wird); das können wiederum RAMMERSTORFER, LÖNNIG und andere Kritiker "natürlich nicht von vornherein w i s s en!" oder aufgrund des irrigen Glaubens an die "Selbstevidenz" von Beobachtungen zumindest annehmen. Dies gilt umso mehr, als für diese Annahme zunächst einmal (noch?) keine systematischen Untersuchungsreihen sprechen.

RUDGE, 2002 bemerkt:

"Disagreements among scientists regarding the precise role of each of these factors with reference to a particular population is a typical situation in biology, and indeed symptomatic of an active area of investigation. The fact that the oversimplified explanation recounted in textbooks does not fit every population within which the phenomenon has been found to occur is entirely predicable given the unique and contingent nature of biological phenomena."


Die einzig begründete Feststellung kann zum gegenwärtigen Kenntnisstand nur lauten, daß es eben noch eine Reihe weiterer, in die "klassische" selektionstheoretische Situation hineinspielende Selektionsfaktoren geben könnte und daß die "klassische Anpassungsgeschichte" eben nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Alle darüber hinausgehenden Feststellungen über vermeinlicht "methodische Fehler", ja selbst die skeptizistische Haltung, die LÖNNIG einnimmt, lassen sich wissenschaftlich nicht rechtfertigen.

                                                        

Auch MAJERUS erkennt ganz klar, daß die bisherigen Feldstudien die Rolle des differenziellen Vogelfraßes auch dann evident machen, wenn Zusatzfaktoren (wie z. B. Fledermausfraß, der Einfluß von SO2 und anderen Schadstoffen, die Sehtauglichkeit der Vögel im UV-Bereich, Migration usw.) existieren, über die noch kontrovers diskutiert wird und über die man noch nichts genaues weiß. Denn es sollte deutlich geworden sein sein, daß KETTLEWELLs und alle neueren Experimental-Resultate nicht dadurch wegdiskutiert und entwertet werden können, indem darauf hingewiesen wird, daß man sich heute noch nicht über alle denkmöglichen Kausalzusammenhänge im Klaren ist, die das Ergebnis der Studien rein hypothetisch störend überlagern könnten oder evenutell sogar mitbedingt (!) haben. Daher lautet die "Message von Majerus":


"Differential bird predation of the typica and carbonaria forms, in habitats affected by industrial pollution to different degrees, is the primary influence on the evolution of melanism in the peppered moth." "All the experimental work to date suggests that it is (...)"
                                                               

LÖNNIGs Einwand, daß man zunächst noch diese Denkmöglichkeit und jenen Faktor in Betracht ziehen bzw. genau untersuchen müsse, weil eine wissenschaftliche Feststellung "(...) nicht ohne jegliche weitere Forschung schon als 'sicher gegeben' betrachtet werden (kann)", könnte man (wie in Abschnitt 5 betont wurde) gegen jede wissenschaftliche Theorie - auch und gerade gegen diejenigen Theorien, die allgemein zu den "besten" gezählt werden - erhoben werden, denn ansonsten wäre jede wissenschaftliche Forschung bereits an ihr Ende gekommen, und wir wären im Besitz absoluter, grundsätzlich nicht mehr widerlegbarer "Wahrheiten".

Daraus folgt, daß man jedem Wissenschaftler - angefangen von NEWTON, über DALTON, BOHR und HEISENBERG, bis hin zu EINSTEIN, GELLMAN und HAWKING - vorhalten könnte, ihnen seien bei der Konzeption ihrer Theorien und Experimente bestimmte (auf einer "tieferen", bislang noch nicht oder nur unvollständig durchschauten "Kausalitätsebene") "Fehler" unterlaufen, weil ihre Thesengebäude naturgemäß immer imperfekt sind und im Laufe der künftigen Wissenschaftsgeschichte noch präziser, unter Einschluß eines größeren Spielraums von Möglichkeiten, gefaßt, modifiziert und revidiert werden müssen. Damit dürfte die Forschung niemals ihr Ende finden, bevor sich auch nur ein Wissenschaftler dazu durchringen könnte, eine Behauptung aufzustellen. Wissenschaft sucht eben nicht nach "sicheren Wahrheiten", sondern nach Erklärungen!

Wer das anders sehen und mit LÖNNIG behaupten wollte, daß z. B. die Beobachtungen "in the vicinities of traps" unter "unnatürlichen Voraussetzungen" zustandekamen oder daß "(...) die Fledermausfrage (...) erst gründlich untersucht werden (müsse), bevor eine Entscheidung auf Grund ausreichender Daten möglich ist", begibt sich in die geistige Nähe desjenigen Physikstudenten, der im Hinblick auf ein idealisiertes Fallexperiment meint, man müsse angesichts der "unnatürlichen Voraussetzungen" zuerst einmal "die Frage des Luftwiderstandes, der elektrostatischen Verhältnisse, einer eventuell vorhandenen Antigravitation, ja überhaupt erst einmal die Frage gründlich untersuchen, ob nicht unendlich viele Alternativ-Ursachen infragekommen", bevor eine Entscheidung über die Gültigkeit des NEWTONschen Gravitationsgesetzes "auf Grund ausreichender Daten möglich ist." Wer so argumentiert, der stellt sich automatisch außerhalb jeden wissenschaftlichen Wertekanons.

                                                                                                                                                                 

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