Allgemeine Fragen  zu Evolution und Schöpfung

Die folgenden Fragen wurden im Rahmen einer Diplomarbeit an mich und eine Reihe weiterer Interview-Partner gestellt. Die Antworten wurden geringfügig überarbeitet. 

                                         

1. Welchen Standpunkt vertreten Sie bezüglich der Entstehung des Lebens?

Die Fragestellung kann aus methodischen Gründen nur naturalistisch angegangen werden. Ich bin jedoch auch persönlich davon überzeugt, daß kein "übernatürliches Wesen" in der Entstehung der (Arten-)Welt seine Hände im Spiel hatte. 

       

2. Wie und warum kamen Sie zu dieser Überzeugung?

Weil für übernatürliche Wirkursachen nichts Empirisches spricht. Außerdem haben sie keinerlei Erklärungswert. Wer behauptet, ein unbekannter "Designer" habe irgendwo, irgendwann irgendwas auf mysteriöse Weise erschaffen, steuert nichts zur Lösung wissenschaftlicher Probleme bei; er lagert sie lediglich auf eine "höhere" (transzendente) Ebene aus. Nur gesetzmäßig (naturgesetzlich) formulierte Aussagen liefern im Rahmen mechanismischer Theorien Erklärungen, die kausal nachvollziehbar sind und es erlauben, jene Randbedingungen zu erforschen, unter denen Leben entstanden sein könnte.

Somit hat also der Naturalismus eine methodologische Begründung. Es ist keineswegs so - wie oft behauptet wird - daß er aus reiner Willkür und aus "dogmatischem" Ansporn in der Naturwissenschaft festgeschrieben würde. Um das Wirken eines übernatürlichen "Designers" wissenschaftlich erforschen zu können, müßte es ja den Status eines Naturgesetzes haben. Übernatürliche Faktoren kommen daher nicht nur nicht in der Biologie, sondern in keiner wissenschaftlichen Disziplin vor.  

             

3. Ist die Frage nach dem Ursprung des Lebens für Sie wissenschaftlicher oder ideologische Art?

Im Rahmen naturalistischer Theorien kann und wird die Frage selbstverständlich naturwissenschaftlich angegangen.

         

4. Was sagen Sie zur Aussage: Schöpfung oder Evolution; Gott oder Zufall; Sinn oder Un-Sinn?

Aus meiner Sicht sind solche Gegensätze mühsam und konstruiert. Eine transspezifische Evolution schließt Schöpfung ebensowenig aus, wie der Zufall einen Gott. Zu einer Konfrontation zwischen Wissenschaft und Theologie kann es immer nur dann kommen, wenn der Glaube auf ein fundamentalistisches (theistisch-transzendentes) Schöpferbild verengt wird, das mit einem Teil empirischer Befunde, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden kollidiert. Das liegt aber nicht im Verschulden der Wissenschaft (hier: der Evolutionsbiologie). Denn die empirische Wissenschaft geht immer nur so weit, wie "ihre Füße tragen". Sie behauptet nicht, das es darüber hinaus nichts Weiteres gäbe, aber sie kann auch zeigen, dass sie dort, wo sie greift, vernünftige und prüfbare Aussagen treffen kann.

Was die Sinnfrage anbelangt: damit beschäftigen sich besser die Theologen. Ich kann allenfalls mit Epikur antworten, wonach jeder versuchen sollte, seine intellektuellen oder emotionalen Möglichkeiten bestmöglich auszuschöpfen, so daß er am Ende seines Lebens sagen kann: "Es hat sich gelohnt." Eine wie auch immer geartete, transnaturale, sinnstiftende Entität benötige ich dazu nicht.

       

5. Was halten Sie von einer theistischen Evolutionslehre?

Obwohl solche Spekulationen über transnaturale Wirkursachen keinen wissenschaftlichen Status haben, läßt sich diese Art von Glauben mit wissenschaftlichen Theorien sehr gut in Einklang bringen. Wenn jemand als gläubiger Mensch diesen Weg beschreiten und seinen Glauben mit einer rationalen Weltsicht abstimmen möchte, habe ich nichts dagegen.

Ich kritisiere es übrigens auch nicht, wenn Kreationisten an einen Gott der Bibel oder Anhänger der "Intelligent Design-Lehre" an irgendwelche "Signale" und schöpferische Eingriffe glauben. Voraussetzung ist allerdings, daß sie diese Ansichten nicht in Konkurrenz zu wissenschaftlichen und wohlbestätigten Lehrmeinungen stellen und sie deutlich als vorrationale Glaubenssätze deklarieren. Denn seit Hume ist bekannt, daß in der Natur nichts Empirisches für das "Design-Argument" sprechen kann; es muß vielmehr in allen "Gottesbeweisen" als philosophische Prämisse schon vorausgesetzt werden.

     

6. Worin sehen Sie die grössten Unklarheiten bezüglich einer evolutionistischen Entstehungstheorie?

Ganz klar im Bereich der Mechanismenfrage: Obwohl wir heute wissen, daß Mutation und Selektion die grundlegenden Faktoren sind, welche die Entwicklung der Arten vorantreiben, ist das Erklärungsschema noch viel zu unvollständig. Es gibt eine Reihe von Entwicklungsfaktoren, die wir gerade erst zu verstehen beginnen, die aber für ein möglichst tiefes Verständnis transspezifischer Evolution notwendig sind. Für sehr aussichtssreich halte ich die Forschung im Bereich der Entwicklungsbiologie ("EvoDevo") sowie die systemtheoretischen Ansätze, die im deutschen Raum u.a. auf Rupert Riedl zurückgehen.

Wichtig ist es allerdings darauf hinzuweisen, daß sich aus der Unvollständigkeit mechanismischer Erklärungen keine Fundamentalkritik generalisieren läßt. Erstens bedeutet Unvollständigkeit nicht Falschheit. Zweitens hängt die fehlende Erklärung spezieller Entwicklungsschritte auch mit der Unkenntnis der individuellen (oftmals historisch einmaligen) Randbedingungen zusammen. Das heißt, daß sich ohne solche Detailkenntnisse auch mit einer vollständigen Evolutionstheorie immer nur das Allgemeine und Prinzipielle erklären läßt. Und drittens ist die eigentliche Frage der Deszendenz (der gemeinsamen Abstammung aller Arten) von der Mechanismusfrage logisch unabhängig und durch eine Vielzahl empirischer Befunde so wohlbestätigt, daß heute niemand mehr ernsthaft daran zweifeln kann. Zumindest dann nicht, wenn er die wissenschaftliche Methodik anerkennt.

       

7. Was fällt Ihnen spontan ein zu:

Woher? Das kommt auf die Betrachtungsebene an. Als rational denkender Mensch antworte ich da ganz nüchtern: Aus dem Urknall, aus einer Supernova, aus interstellarem Gas, aus dem Ozean, von meinen Eltern - wie Sie wollen.

Wohin? Dorthin, wo wir entsprungen sind: eines Tages zurück ins Weltall.

Wozu? Diese Frage sollen sich, wie gesagt, Theologen stellen.

Unsere nächsten Artverwandten.

Genialer Kopf, großartiger Biologe, liberaler Mensch. Über so manche Diskussionen, die heute in der Evolutionsbiologie geführt wird, würde er aber vermutlich den Kopf schütteln. Meines Wissens hat er sich stets gegen einen "Vulgär-Darwinismus" ausgesprochen, wonach Mutation und Selektion alles ist, was es gibt. Vielmehr hielt er seine Theorie auch "inneren Entwicklungsprinzipien", die heute mehr und mehr im Zentrum der Diskussion stehen, offen. Einige Vertreter der "Synthetischen Theorie" scheinen dies ebenso zu vergessen, wie die Mehrheit der Evolutionsgegner.

Es liegt durchaus im Bereich des Denkmöglichen, daß es eine wie auch immer geartete Überwelt gibt. Nur empirisch-wissenschaftlich nachprüfen läßt sich dies nicht. Dies gilt auch für die Frage, ob sie die Entwicklung unseres Kosmos kausal beeinflußt, obgleich diese Auffassung noch weniger plausibel zu machen ist. Und daß es ausgerechnet einen personifizierten Gott - noch dazu einen Gott der Bibel und Schöpfer der Welt gibt, halte ich zwar ebenfalls für möglich, aber für die am wenigsten begründbare Spekulation. Wissenschaftsmethodisch gesehen ist die Frage auszuklammern; ich persönlich verneine sie.

...der Urknall.

     

8. Ist es für Sie wichtig die Entstehung des Lebens erklären zu können? Warum?

Weil mich und die Menschheit die intellektuelle Neugier dazu treibt. Das ist es, was uns wirklich vom Tier unterscheidet: Die Fähigkeit zur Selbstreflexion und der Wunsch, zu erfahren, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Dies ist für mich auch ein wesentliches Motiv, um gegen den Antievolutionsmus zu argumentieren: Jeder Wissenschaftler muß versuchen, natürliche Erklärungen - oder zumindest logische Argumente - zu finden, um die Entstehung der Welt rational zu begreifen. Ein anderes Vorgehen wäre ja nicht nur heuristisch inakzeptabel, sondern käme einem leichtfertigen Wissensverzicht gleich, da niemals mit Gewißheit feststeht, daß die Welt nicht vollständig rational ("aus sich selbst heraus") erklärt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Frage den Urgrund allen Seins berührt. Wo immer man ein supernaturalistisches Prinzip postuliert, erlegt man der Wissenschaft Erklärungsgrenzen auf, arrangiert sich mit dem Mysterium und rückt damit automatisch von der wissenschaftlichen Zielsetzung ab. Warum so viele intellektuell veranlagte Menschen einen derartigen Wissensverzicht üben und ihre Vorgehensweise auch noch "wissenschaftlich" nennen, kann ich nicht nachvollziehen.

            

9. Welche Theorien sollten Ihrer Meinung nach in der Schule gelehrt werden?

Religion im Religionsunterricht, Evolution im Biologieunterricht.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Mitarbeit.

             

Fragen gestellt von Nadine S.