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Gitt, W. (2004):
Am Anfang war die Information
Hänssler-Verlag, Holzgerlingen. 360 Seiten. Preis: EUR 6,95
Der Informatiker Werner Gitt vergleicht in diesem
Buch biologische Merkmale, wie z.B. das Erbmolekül, mit technischen
Gegenständen und Signalen, die uns eine Botschaft (sprich: eine
semantische Information) übermitteln. Mehrere Bedeutungen des
Begriffs Information werden erläutert und Parallelen zur Biologie gezogen,
womit das Argument eine Abwandlung des teleologischen Gottesbeweises von
Paley darstellt: Gitt möchte zeigen, daß Lebewesen Information
in sich tragen, die ebenso wie eine niedergeschriebene Botschaft einen
"intelligenten Urheber" voraussetzt, der sie erschaffen hat. Es geht mit
anderen Worten darum, unter Verwendung nachrichtentechnischer
Informationsbegriffe die Existenz einen göttlichen Planers zu belegen,
der anstelle der vermeintlichen "Zufallsevolution" die Arten hervorgebracht
hat.
Abgesehen davon, daß Gitt als Kreationist eine empirisch widerlegte
Glaubensauffassung vertritt, ist seine Informations-Analogie in der Biologie
sehr umstritten. Denn jede Informationsübermittlung setzt einen Sender,
einen Empfänger, eine Syntax und Semantik voraus, die verabredet worden
ist. Das bedeutet, daß in der Nachrichtentechnik etwas
übermittelt wird, das im Gehirn eindeutig als Botschaft erkannt wird.
Daher wissen wir von vorne herein, daß solche Botschaften einen Planer
voraussetzen. Dieses Wissen haben wir aber in der Biologie definitiv
nicht. Darüber hinaus hat die Funktion und (An-)Passung biologischer
Merkmale oder die "Information" eines DNA-Moleküls mit "Botschaften"
gar nichts zu tun, die von einem "Sender" verschickt und von einem
Empfänger als "Nachricht" entschlüsselt werden. Biomoleküle
bedienen sich weder einer Sprache, noch tauschen sie untereinander irgend
etwas aus - schon gar keine Botschaften. Es werden auch keine Daten "gesendet",
die im Gehirn eines Benutzers irgendeine Form von "Wissen" erzeugen
könnten. Der Vergleich von DNA-Molekülen mit informationstragenden
Signalen, Texten o.ä. beruht mit anderen Worten auf einem
Kategorienfehler. Gitt hätte, um ein instruktives Beispiel zu
wählen, bestenfalls dann ein Argument, wenn jedes Lebewesen z.B. mit
einem Geburtsmal zur Welt käme, auf dem geschrieben stünde:
"Copyright by the creator". Dies wäre in der Tat eine
nachrichtentechnisch verwerbare "Information", die das Design-Argument
stützen könnte. Das ist aber nicht der Fall, so daß die
Notwendigkeit einer vorherigen, intelligenten Planung entfällt.
Alles in allem scheint Gitts Informationismus nicht ohne einen ontologischen
Idealismus auszukommen, wonach es "immaterielle Dinge" außerhalb
von Gehirnen gibt (wie z.B. ein "Stück reine Information"), die von
einem allwissenden und allmächtigen "Geistwesen" in die Materie
"hineingelegt" werden muß. Gitts Versuch, für einen
teleologischen Ursprung der Arten zu argumentieren, kommt also nicht ohne
philosophische Prämissen aus, die sich empirisch nicht belegen lassen.
Er setzt gewissermaßen das Argument, wonach Biosysteme mit einer
"Bedeutung" ausgestattet und planvoll konstruiert wurden, in Gestalt
seiner Informationsterminologie bereits voraus, womit er im Kreis argumentiert.
Unter wissenschaftlichem Aspekt ist das Buch also (gelinde gesprochen)
absolut verzichtbar.
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