Hintergründe
zu Poppenbergs Filmproduktion
Poppenbergs
Rechtfertigung
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Methoden der
Meinungsmanipulation im Kreationismus
(1)
Über ein Lehrstück kreationistischer Agitationskunst: den
Film "Gott würfelt nicht"
Der Evolutionsgegner und Filmemacher Fritz
POPPENBERG hat im Jahr 2001 ein neues Video mit dem Titel "Gott würfelt
nicht" auf dem Markt gebracht, das sich überraschenderweise nicht
damit begnügt, die Abstammungslehre in der sonst üblichen Form
(unter Verweis auf vermeintliche Schwachstellen der Theorie) anzuzweifeln.
Um es vorwegzunehmen: Die Hoffnung auf eine überwiegend faire und kompetente
Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie wird nicht erfüllt. Sachlich
fundierte Einwände sind eher die Ausnahme, denn POPPENBERG will mehr:
Der Untertitel ("Über den erbitterten Kampf zwischen Wissenschaft
und Ideologie") läßt erahnen, daß es darum geht, die
Evolutionstheorie förmlich aus den Naturwissenschaften herauszubrechen,
ihr den Stempel der Ideologie aufzudrücken und den Eindruck zu erwecken,
als stünde sie im Widerspruch zu allen innerweltlichen Prinzipien, die
die Wissenschaft bis heute aufgedeckt hat. Um dieses Ziel zu erreichen, wird
über weite Strecken ein Zerrbild skizziert, das mit den Realitäten
wenig zu tun hat und derart mit Polemik und okkulten Deutungen verquickt
ist, daß die teilweise sachlich gestellten Fragen fast zur
Bedeutungslosigkeit herabsinken.
Bereits der Titel kündet an, welche Botschaft der Film transportieren
soll: Der Lauf der Welt wird von der makrokosmischen bis hinab zur subatomaren
Ebene durch deterministische Gesetze bestimmt. Alles ist berechenbar,
planmäßig angelegt, "reine Mathematik"! Diese wird nicht
nur als abstrakte Formelsprache der Wissenschaft verstanden, sondern als
reale Entität, die von Gott in die Welt gebracht worden ist. So steht
für den Chemiker PLICHTA, der sich der Zahlenmystik verschrieben hat,
außer Frage, daß der Aufbau der Materie, der Atomzerfall, das
Periodensystem der Elemente - wie praktisch alles, was man in der Natur findet
- von der Existenz eines Schöpfungsplans zeuge, der sich uns in Gestalt
göttlicher "Primzahlenkreuze" offenbare. Selbst hinter zufälligen
Quantenprozessen, wie dem radioaktiven Zerfall, wird ein verborgener
Determinismus vermutet, der auf Gott schließen läßt. (Sicher
ist jedoch: Jede Zahl, Ereigniskonstellation und Gesetzmäßigkeit
läßt sich in Gestalt "göttlicher Formeln" beschreiben. Man
muß nur danach "suchen" und wird mit viel Phantasie eine göttliche
Absicht "entdecken"; eine Deutuing, die niemand wissenschaftlich widerlegen
kann!)
Was hier nach einer obskuren aber scheinbar harmlosen Spekulation aussieht,
entpuppt sich beim näheren Hinsehen als harter Wissenschaftsrevisionismus,
denn die fundamentalistischen Glaubenspositionen des Filmemachers werden
kurzerhand zum philosophischen Wertekanon der Naturwissenschaften umdefiniert.
Unter Bezugnahme auf die deterministischen Gesetze von KEPLER und NEWTON
wird das Bild vermittelt, daß das "eigentliche" Ziel der Wissenschaft
darin bestünde, den Zufall im Universum loszuwerden und nach
"planmäßigen" Gesetzen zu suchen. Auch der religiöse Bezug
beider Wissenschaftler soll den Zuschauer davon überzeugen, daß
die modernen Wissenschaften Gott als wissenschaftliche Heuristik gebrauchen.
Und natürlich wird er auch als metaphysisches Prinzip
vorausgesetzt. Muß also nicht jeder Wissenschaftler, der eine
materialistische Ontologie vertritt, unweigerlich zum Pfuscher werden? Wer
sich den Film anschaut, gewinnt diesen Eindruck, womit bereits alle
Voraussetzungen erfüllt sind, um die Evolutionstheorie "wissenschaftlich"
in Verruf zu bringen. So will GITT in unserer Erde den Beweis für ein
"auf den Menschen planmäßig zurechtgeschneidertes
Planetensystem" sehen (und reduziert damit die übrigen
1022 Sonnen zu Statisten in einem Weltspektakel, das nur auf die
Ankunft des Menschen "gewartet" hatte). Im Kontrast dazu weist SCHERER auf
den "blinden Zufall" in der Evolution hin, der die "Genialität"
göttlicher Planung durchkreuzt, keinen Gesetzen folgt und somit weder
mit den POPPENBERGschen Prinzipien der "Wissenschaftsphilosophie" harmoniert,
noch zur Beschreibung der kausaldeterministisch strukturierten Welt taugt.
Es reicht also nicht, die "Zufallstheorie" sachlich zu kritisieren, man muß
den Zufall mit GITT und PLICHTA förmlich aus dem Universum hinausdefinieren.
Sind solch anthropozentrische Schöpfungsvorstellungen also die Grundlagen
der "wahren" Wissenschaften, naturalistische Entstehungstheorien dagegen
bloße Ideologie?
Den Leiter des Ernst-Haeckel-Hauses, Prof. Dr. Dr. BREIDBACH hört man
sagen, in der Evolutionsbiologie werde die Natur selbst zu Gott, die
Planmäßigkeit des Schöpfers durch Selbstorganisation der
Materie ersetzt. Was der Wissenschaftler damit zum Ausdruck bringen wollte
ist, daß mythisch-religiöse Glaubensvorstellungen aus dem Wertekanon
der in der Renaissance konzipierten Naturwissenschaften herausgehalten
wurden, weil man erkannt hatte, daß der Naturalismus als Grundlage
wissenschaftlichen Arbeitens methodologisch erzwungen wird,
wenn man überhaupt zu prüfbaren Aussagen und Erklärungen gelangen
will. (Auch KEPLER und NEWTON, PLANCK und EINSTEIN waren keine Ausnahme,
in keiner ihrer Gleichungen tauchen übernatürliche Faktoren
auf). Doch das BREIDBACH-Interview wurde derart zusammengeschnitten und in
den Film eingebettet, daß der Zuschauer den Eindruck gewinnt, als seien
jetzt umgekehrt der Naturalismus und die Evolutionstheorie
Glaubensprämissen, Ideologien beliebiger Setzung, die Gott und alle
"planmäßigen Gesetze" der Wissenschaften vom Tisch fegten. Der
Film zeigt anschaulich, wie durch den Gebrauch kruder Rabulistik
wissenschaftstheoretische Zusammenhänge auf den Kopf gestellt werden
können.
Doch auch die Polarisierung zwischen der vermeintlich deterministischen Welt
und dem "blinden Zufall" der Evolution ist wissenschaftlich verquer und
gerät zu einem zentralen Widerspruch der ganzen Argumentation: Auf der
einen Seite wird generös verschwiegen, daß gerade die Selektion
sowie die Systembedingungen der Evolution einen Ordnungsrahmen bereitstellen,
der in den Zufall eingreift und den Prozeß zumindest streckenweise
in determinierte Bahnen lenkt. Die Überbetonung des Zufalls ist
eine polemische Aufbauschung; ein Pappkamerad, der zur Zielscheibe erhoben
und unter Gebrauch skurriler Argumentationsfiguren flüchtig demontiert
wird. SCHERER resümmiert, daß die natürliche Entstehung von
Leben unvorstellbar sei, denn auch der Film wäre durch den blinden Zufall
nicht entstanden. Richtig! Das hat wohl auch nie jemand so behauptet. Doch
aufgrund der in der Evolution stattfindenden Vererbungs- und
Selektionsprozesse vergleicht SCHERER Unvergleichbares, so daß
der Vergleich zu einer Tautologie gerät: "Konstruktionen haben einen
planvoll handelnden Konstrukteur." Das ist natürlich völlig
trivial. Daß aber Biosysteme, die völlig andere Eigenschaften
besitzen als technische Konstrukte, Konstruktionen
sind, können solche Vergleiche nicht plausibel machen.
Andererseits entspricht es auch einer allgemein anerkannten Tatsache, daß
sich selbst geordnete Systeme indeterministisch verhalten können. Es
sei ja nur darauf hingewiesen, daß bereits POINCARÉ das Versagen
der NEWTONschen Gleichungen bei der Beschreibung einfacher
Dreikörpersysteme vorausgesehen hat. Alle Bereiche der Forschung und
selbst der profane Alltag führen vor Augen, daß sich komplexe
Systeme nicht reproduzierbar verhalten, beim Überschreiten von
Schwellenwerten neuen Attraktoren folgen und nichtvorhersagbar zwischen
geordneten und chaotischen Regime hin- und herwechseln können. Kurz:
In der Evolution gibt es determinierte Ordnung und den Zufall - wie
in allen anderen Bereichen der Wirklichkeit auch. Was folgt daraus für
die Argumentation? Es bleiben nur zwei konsistente Möglichkeiten: Wer
beschlossen hat, die Evolutionstheorie aufgrund der Unvorhersagbarkeit,
Nichtreproduzierbarkeit und Zufälligkeit der von ihr postulierten Prozesse
zur Ideologie zu erklären, der muß auch alle anderen
Theorien und Gesetze, in welchen indeterministische Ereignisse und
Nichtlinearitäten eine Rolle spielen, für unwissenschaftliche
Thesengebäude halten - mit dem Ergebnis, daß wir alle Wissenschaften
abschreiben könnten. Wer aber ausgerechnet die Quantenmechanik
mit einem "verborgenen Determinismus" ausstaffiert, um ihre
"Wissenschaftlichkeit" zu wahren, der kann nicht plötzlich die
Evolutionstheorie aufgrund ihrer Zufallskomponente aus den Wissenschaften
heraushalten. Das ist ganz klar inkonsistent und zeugt nur von ideologischer
Voreingenommenheit. (Allerdings scheitert die Hoffnung, auf der Quantenebene
eine "Planmäßigkeit" zu finden, an der berühmten Ungleichung
von BELL. Die Wissenschaft würde in heutiger Form aufhören
zu existieren, wenn sie Realität wäre.)
Im Film werden eine Reihe weiterer Strohmänner präsentiert.
Beispielsweise wird die Evolution als blutig-brachialer Konkurrenzkampf ums
Dasein beschreiben. SCHERER stellt fest, der Kampf ums Dasein erkläre
nicht, warum es Kooperation, Sozialverhalten und Nächstenliebe gibt.
Ärgerlich ist nur, daß solch eine Prämisse niemand aufstellt,
denn auch und gerade altruistische, kooperative Verhaltenweisen werden von
der Selektion belohnt, und der "Überlebenskampf" wird zwischen den
Artgenossen meist unblutig (oft sogar ohne deren Wissen) ausgetragen. Auch
die Perfidie, mit der die Evolutionslehre als Wegbereiter des Nationalsozialismus
und Stalinismus herhalten muß, sorgt für Verdruß.
Natürlich haben die Nazis und Bolschewisten die Evolutionstheorie
mißbraucht, ihre Postulate entstellt und in ihre Doktrin
eingebunden. Ist deswegen die Evolutionstheorie falsch? Bekannterweise wurden
auch Evolutionsbiologen verfolgt, die den vorgegebenen Wissenschaftsauffassungen
totalitärer Systeme (wie zum Beispiel dem "Lyssenkoismus") widersprochen
haben. Und schließlich hat doch Gott die Selektion (die
"Ausmerze" des weniger Tüchtigen in der "Mikroevolution")
höchstselbst in die Welt gebracht, wenn man der Schöpfungslehre
glauben schenken mag. Ergo hat nicht die Evolutionsbiologie, sondern
Gott den Nazi-Verbrechen den Weg geebnet, deretwegen die Bibel "ihre
Unschuld verloren" hat - wie dies im Film von der Evolutionstheorie behauptet
wird? Ferner könnte das polemisch ins Bild gerückte Gräberfeld
problemlos auch diejenigen Gräuel repräsentieren, die im Namen
der Bibel begangen wurden. Man sieht: Poppenberg legt sich das perfide
Argument durch die Hintertür selbst in Gestalt des Theodizee-Problems
auf den Tisch. Emotionale Appelle sind an Stellen, wo eigentlich Sachargumente
angebracht wären, ganz klar ein Merkmal pseudowissenschaftlicher
Argumentation.
Auch im nächsten Beispiel wird mit solch rhetorischen Stilmitteln
gearbeitet. LÖNNIG hört man zunächst sagen, daß die
Evolutionsbiologie lange Zeit einer falschen Vererbungstheorie anhing. (Offenbar
soll die Betonung historischer Irrtümer vergessen machen, daß
sich die Evolutionstheorie längst über ihr ursprüngliches
Niveau hinausentwickelt hat.) MENDEL habe ferner anhand der Spaltungsregel
die Konstanz der Erbeinheiten bewiesen und darüber hinaus die "besseren
Argumente" gehabt, weil er sich auf Experimente berufen konnte, die den
Darwinismus widerlegt hätten. Und dann folgt wieder der emotionale Appell:
Mit einer dramatischen Intonierung wird beschrieben, wie die Darwinisten
die experimentellen "Tatsachen" der Mendelisten brutal verhindert und sich,
wie LÖNNIG behauptet, in einer "pseudowissenschaftlichen Sackgasse"
verrannt hätten. Das ist nun wirklich starker Tobak! In Wahrheit wurde
der Konstanzgedanke von den meisten Mendelisten gar nicht mehr akzeptiert.
De VRIES hat zwei "Haupttypen" von Kreuzungen unterschieden (solche "MENDELschen
Typs" und sogenannte "unisexuelle Kreuzungen") und die erste Monographie
über experimentell erzeugte Veränderungen überhaupt vorgelegt.
CORRENS hielt die MENDEL-Regeln gar für unvollständig und bejahte
rundweg DARWINs Deszendenzthese. Und für BATESON war die Variation als
"wesentliches Phänomen der Evolution" schlichtweg eine Tatsache.
Kontrovers diskutiert wurde lediglich über die
Ursachen der Variation! Daß ferner die kritische Haltung
der Darwinistischen "Biometrik-Schule" gegen die Mendelisten in Teilen durchaus
begründet war (2), fällt
ebenso der Propaganda zum Opfer, wie die Tatsache, daß MENDELs Lehre
(welch Ironie der Geschichte!) dem "Darwinismus" erst zum Durchbruch verholfen
hat.
Werden, so wird sich der Leser fragen, überhaupt sachliche Argumente
im Film genannt? SCHERER betont, daß die Experimente zur Urzeugungsfrage
(MILLERs Versuch und abgewandelte Exerimente) nicht zur Entstehung von Leben
geführt haben. Das ist zweifelsohne richtig. Doch wenn er den Schluß
zieht, daß die Entstehung des Lebens "so nicht hatte stattfinden
können", sagt er mehr, als er wissen kann, denn er müßte
nicht nur sämliche Bedingungen kennen, unter denen Leben entstehen
könnte, sondern auch beweisen, daß gerade diese nicht realisierbar
waren. Es genügt ja nicht, die auf der heutigen Erde herrschenden oder
durch eine simple Reaktionsapparatur vorgegebenen Randbedingungen
eins-zu-eins auf die Urerde zu übertragen. (Das
"Lückenbüßer-Argument" erstickt dabei von vorne herein jede
weitere Forschung.) In enttäuschender Weise nimmt sich SCHERER auch
des Themas der "Übergangsformen" an: So wird behauptet, daß kaum
evolutionsrelevante Bindeglieder bekannt seien, da Fossilien "Merkmalsmosaike"
aufweisen und nicht in allen Charakteren "zwischen" den zu
überbrückenden Gruppen stehen. Die Tatsache etwa, daß jedes
Fossil im Übergangsfeld zwischen den "Fischen" und Amphibien stets einer
der beiden Gruppen zugerechnet werden kann, entwertet jedoch nicht, wie SCHERER
behauptet, ihren Status als Übergangsform. Die Einsicht, daß Evolution
nur mosaikartig verlaufen kann, hat MAYR den Kritikern bereits vor
35 Jahren ins Stammbuch geschrieben und gehört zum Grundverständnis
der modernen Kladistik.
Der Einwand, daß Evolution über empirisch verfolgbare Zeiträume
nur zu "mikroevolutiven Anpassungen" geführt habe, ist jedoch berechtigt.
Doch enthält er auch ein wissenschaftliches Argument gegen
"Makroevolution"? Das ist nicht der Fall, wenn man weiß, daß
der Sinn von Naturwissenschaften gerade darin besteht, die Grenzen der Erfahrung
zu überschreiten, um die rätselhaften Erscheinungen unter
Rückgriff auf hypothetische, unbeobachtbare Elemente zu erklären.
Letztlich ist nichts in dieser Welt sicher beweisbar; in der Wissenschaft
kommt es nur darauf an, Erklärungen zu finden und diese empirisch
bestmöglich (durch hypothetisches Schlußfolgern) abzusichern.
In der Tat blieben ohne die Evolutionstheorie viele Phänomene
unerklärt - die Biologie zerfiele in zusammenhanglose Fragmente. Das
bedeutet keineswegs, daß nicht noch viele Probleme der Lösung
harren. Doch die Flucht ins Mysterium des Übernatürlichen löst
die Erklärungsprobleme der Wissenschaft nicht. Die Charaktere
übernatürlicher Wesenheiten bleiben uns genauso rätselhaft,
wie ihre Ratschlüsse, Wirkungsweisen und Zwänge. PLICHTAs
nichtwiderlegbare Spekulationen stellen dies unter Beweis und zeigen, daß
die Schöpferthese alles und nichts erklärt. Doch POPPENBERG behauptet,
wenn sein Film im Hauptabendprogramm des Fernsehens ausgestrahlt würde,
gäbe es eine "Erschütterung der Nation". Das mag wohl stimmen
- weil der Film mehr über den mentalen Zustand des Filmemachers
verrät, als über die Evolutionstheorie.
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Fußnoten:
(1) Obgleich hier der zur Sprache kommende F.
POPPENBERG offenbar nicht alle weltanschaulichen Positionen des
Kreationismus (im engeren Sinne) teilt, weist seine Grundposition jedoch
methodologische und weltanschauliche Züge auf, die auch für den
Bibelkreationismus charakteristisch sind. Sein Film wird daher in
Kreationistenkreisen gelobt und zum Kauf angeboten. Es sei jedoch mit Nachdruck
betont, daß sich nicht alle Kreationisten derart aggressiver
Vereinnahmungsstrategien bedienen. POPPENBERG und Konsorten sind sicher extreme
Beispiele, die zeigen, welch bedenkliche Formen der Kampf gegen die
Evolutionstheorie annehmen kann.
(2) Bereits der Botaniker NÄGELI hielt
MENDELs Ergebnisse für zu einfach und riet ihm zu weiteren Experimenten.
MENDELs Idee, nicht das Gesamtbild von Individuen, sondern einzelne, getrennt
vererbte Merkmale zu betrachten, muß eine geradezu fremdartige Vorstellung
gewesen sein. PEARSON wies später auch darauf hin,
daß es so etwas wie eine 'allgemeine Theorie
Mendels' gar nicht gibt. Tatsächlich muß für fast jedes
genetische Experiment eine spezielle Form der Vererbung angenommen werden
- zu nennen sind beispielsweise die Unterscheidungen in dominante, rezessive
oder lineare Gene. Ferner sind die
Vererbungsregeln deskriptiver Natur, die keinen Bezug zu den ihnen
zugrundeliegenden Kausalfaktoren herstellen. Desweiteren
war die Mutationstheorie von de VRIES sehr spekulativ und basierte
nur auf den Experimenten an einer einzigen Art (der Nachtkerze). Experimente
an anderen Arten schob er mit der Behauptung beiseite, daß sie sich
in "immutablen Perioden" befinden. Später wurde
betont, daß MENDEL einige seiner Experimente "gestellt" haben müsse,
weil die Ergebnisse zu nahe an den erwarteten Verhältnissen lagen. MENDEL
hatte auch nie über Genkopplung berichtet, auf die er zwangsläufig
hätte stoßen müssen.
(*)
Die Darwinismus-Kontroverse hat überhaupt zur Entwicklung der
Populationgenetik geführt, so daß MENDELs Arbeiten ohne die
Evolutionstheorie nur Stückwerk geblieben wären. So beschreibt
der "Folgesatz" der Mendelschen Spaltungsregel lediglich idealisierte
Populationen, die sich im ungestörten Gleichgewicht
("HARDY-WEINBERG-Equilibrium") befinden. Die Protagonisten der
MENDEL-MORGAN-Schule mußten die Selektionstheorie wieder in die Genetik
implementieren, MORGAN hatte seine selektionskritische Haltung in dem Werk
"For Darwin" zurückgezogen. Ob MENDEL den "Darwinismus" so rigoros abgelehnt
hat, wie oft behauptet wird, ist überhaupt eine ungeklärte Frage,
die von den Historikern gar nicht einheitlich beantwortet wird (vgl.
VOLLMANN und RUCKENBAUER 1997).
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(*) Di Trocchio
F (1991) Mendel's Experiments: A reinterpretation. Journal of the History
of Biology 24, S. 485-519 --- Di Trocchio F (1994) Der große Schwindel,
Betrug und Fälschung in der Wissenschaft. Aus dem Italienischen von
Andreas Simon, Frankfurt --- Mühlenbein H (1995) Genetische
Algorithmen und Evolutionstheorien - Auf der Suche nach verschollenen
Schätzen. Der GMD-Spiegel 2'95, Sankt Augustin
--- Novitski CE (1995) Another look at some of Mendel's results.
J. Heredity 86, S. 62-66 --- Vollmann J, Ruckenbauer P (1997)
Von Gregor Mendel zur Molekulargenetik in der Pflanzenzüchtung - ein
Überblick. Die Bodenkultur/Austrian Journal of Agricultural Research
48, S. 53-65 (auch im Internet:
http://ipp.boku.ac.at/pz/mendel/men_vo.htm).
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update:
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