Zurück
zur Filmrezension
Poppenbergs
Rechtfertigung
Druck-Version
Methoden der
Meinungsmanipulation im Kreationismus
Über ein Lehrstück kreationistischer Agitationskunst: den
Film "Gott würfelt nicht"
Hintergründe zu Poppenbergs Filmproduktion
Der Gebrauch von Zerrbildern, wie sie POPPENBERG in seinem Film errichtet,
sind in einem demokratisch legitimierten Rechtsstaat freilich nichts
Ungewöhnliches. Jeder darf hierzulande frei seine Meinung kundtun, auch
wenn sie vielen Menschen oberflächlich, irrational und grotesk erscheint.
Selbstredend wäre auch das aus dem Zusammenhang gerissene EINSTEIN-Motto,
welches den Film als Titel krönt, tolerabel
(1) , wären in dem Video nicht
auch, wie der Institutsdirektor des Ernst-Haeckel-Hauses, Prof. Dr. Dr.
BREIDBACH, behauptet, ernsthafte Zitatenmißbräuche vorgenommen
worden:
Angeblich sollte der Film sachlich und nüchtern unter anderem über
die Person Ernst HAECKEL berichten, weshalb POPPENBERG auf eigene Anfrage
durch Vertreter renommierter Wissenschaftsorganisationen unterstützt
wurde. Wie sich jetzt herausstellte, waren die alles andere als
antievolutionistisch geprägten Interview-Partner jedoch überhaupt
nicht im Bilde darüber, daß hier ein Agitationsstück im
Entstehen begriffen war, dessen Intention einzig darin bestehen sollte, die
Abstammungslehre unter Berufung auf renommierte Wissenschaftler und
Wissenschaftsorganisationen als naturwissenschaftlich unerforschliche
Glaubensangelegenheit darzustellen. Einige Interviews seien, so schreibt
BREIDBACH, erschlichen und in falsche Zusammenhänge eingebettet worden.
Insgesamt seien so dem Ernst-Haeckel-Haus in einem kühnen Kraftakt falsche
Grundaussagen über den Status der Evolutionstheorie untergeschoben worden,
um die in dem Film propagierten, fundamentalistischen Glaubenssätze
abzustützen.
Wären sich die Mitarbeiter des Ernst-Haeckel-Hauses über die
Manipulationen im Klaren gewesen, hätten sie die Veröffentlichung
der Interview-Passagen verhindern können, bevor Schaden angerichtet
war. Doch POPPENBERG hatte behauptet, eine TV-Ausstrahlung des Films wäre
nicht vorgesehen, so daß eine abschließende Einsichtnahme durch
die Mitarbeiter des Ernst-Haeckel-Hauses nicht stattfand. Während man
allgemein das Projekt für beendet hielt, wurde der Film indes ohne das
Wissen Außenstehender fertiggestellt, in Umlauf gebracht und schon
seit über einem Jahr in der Kreationistenszene als Lehrstück gegen
die Abstammungslehre vertrieben. Das Ernst-Haeckel-Haus hatte jetzt durch
Zufall von einem Kollegen erfahren, daß der Film eben doch existiert.
In einem Artikel in der Fachzeitschrift "VdBiol - Biologen heute"
hatte BREIDBACH die Öffentlichkeit auf diesen Fall aufmerksam gemacht
und ausdrücklich vor dem dreisten Propagandastück gewarnt. Es wird
gerade geprüft, inwieweit das Machwerk nun auch die Juristen
beschäftigen könnte.
POPPENBERG ist mit seinen fragwürdigen Praktiken schon mehrmals
öffentlich in Erscheinung getreten. Laut Angaben der Redaktion der
Fachzeitschrift "Biologen heute" hatte sich der besagte Filmemacher
zum "Symposium Evolutionsbiologie", das während der Jahrestagung des
VdBiol abgehalten wurde, Zutritt verschafft und die Gespräche der
mitwirkenden Evolutionsbiologen mitzuschneiden versucht, woraufhin er angeblich
des Saales verwiesen wurde.
Quelle:
Biologen heute/ VdBiol 6 (1) 2002, S.
15
_______________________________________________
Fußnoten:
(1)
EINSTEIN hat selbst zwar von Schöpfung gesprochen, ist aber niemals
wissenschaftsrevisionistisch gegen DARWINs Erkenntnisse oder gegen irgendeine
andere naturalistische Beschreibung der Welt in Erscheinung getreten. Desweiteren
hatte er Gott immer nur als Metapher für das Universum begriffen, welches
sich rein naturgesetzlich erklären und begreifen läßt. Das
unverständliche am Universum sei, so hatte EINSTEIN sinngemäß
einmal gesagt, daß es sich verstehen, das heißt, völlig
naturgesetzlich beschreiben und erklären läßt. Im Sinne
des "deus sive natura" sollte auch das Zitat "Gott würfelt nicht" lediglich
zum Ausdruck bringen, daß sich hinter den nicht streng vorhersagbar
eintretenden Quantenereignissen ein "verborgener Determinismus" stecken sollte,
welcher sich auch wieder rein naturgesetzlich beschreiben
ließe. (Allerdings hatte BELL noch nicht nachgewiesen, daß
verborgene, deterministische Parameter mit der Quantenmechanik nicht in Einklang
zu bringen sind.) EINSTEIN war also Pantheist und würde sich im Grabe
umdrehen, wenn er von der Rabulistik POPPENBERGs erführe, der das Zitat
gezielt gegen Evolution einsetzt.
Last
update: 18.01.03
Zur
Homepage
© by Martin Neukamm