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Buch-Rezension
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Antwort auf R. Junkers
Kommentar zu meiner Buchbesprechung:
Evolution.
Ein kritisches Lehrbuch
Vorbemerkung (Martin Neukamm):
Die Autoren Dr. Reinhard Junker und Prof. Siegfried Scherer haben auf Ihrer
"Wort-und-Wissen-Homepage" scharfe Kritik an meiner Buchrezension geübt.
Im Wort-und-Wissen Info 4/02 findet man dazu folgende Stellungnahme:
"(...) Es fällt auf, daß M. Neukamm
häufig irreführend unser Lehrbuch zitiert, oder Inhalte hineinliest,
die dort gar nicht vertreten werden, um dann auf diese fiktiven Inhalte kritisch
einzugehen. Darüber hinaus vermißt man Belege des Autors, auf
welchen Seiten das Kritisierte steht."
Um die Kritik sachlich zu untermauern, hat Junker eine Replik zu meiner
Buch-Rezension geschrieben. Ich werde diese im folgenden besprechen, um zu
erörtern, warum die Kritik aus meiner Sicht nicht zutrifft. Junkers
Text ist im folgenden in schwarz, meine Antwort jeweils in
blau darunter abgedruckt.
Es sei hier darauf hingewiesen, daß zwischenzeitlich einige der von
mir stammenden Zitate in meiner vorangestellten Buchrezension aktualisiert
worden sind. Am Gehalt der Aussagen hat sich dadurch nichts verändert,
so daß Sie Junkers Kritik sowie meine Erwiderung auf meine aktuelle
Buchbesprechung übertragen können.
Vorbemerkung (Reinhard Junker):
Stellungnahme zu Martin Neukamms Rezension von "Evolution. Ein kritisches
Lehrbuch". Die zitierten Texte von M. Neukamm sind in dieser Schrift
gesetzt. Neukamm gibt zunächst einen kurzen Überblick
über den Inhalt des Buches (der hier weggelassen wurde) und widmet einen
relativ langen Teil danach wissenschaftstheoretischen Aspekten. An dieser
Stelle setzen die Kommentare ein.
Neukamm: Da transspezifische Evolution und Höherentwicklung nicht
beobachtbar ist, müßte die Abstammungshypothese aus den
Naturwissenschaften herausfallen, eine Implikation, auf der die Autoren strikt
beharren. Der methodologische Grundirrtum, der sich wie ein roter Faden durch
das Buch zieht, besteht nun darin, daß unter strikter Beachtung der
eigens errichteten Wissenschaftsphilosophie kaum eine Theorie übrig
bliebe, der noch das Prädikat "naturwissenschaftlich" zukäme.
Neukamm übergeht hier, daß die Aussagen, auf die er sich bezieht,
in den Unterkapiteln "Rekonstruktion der Geschichte der Natur" (1.2) und
"Evolutionslehre und Schöpfungslehre" (1.3) steht. Es geht nicht darum,
daß Unbeobachtbares außerhalb der Naturwissenschaft steht, sondern
daß die historische Fragestellung (Entstehung und Geschichte der Lebewesen)
methodisch anders bearbeitet werden muß als die Gegenwartsforschung,
die der eigentliche Gegenstand naturwissenschaftlichen Arbeitens ist.
(1) Es ist schon richtig, daß der Historiker
einmalig vergangene Prozesse zu rekonstruieren hat, während der
experimentell arbeitende Wissenschaftler wiederholbare Versuche durchführen
kann. Junker übersieht aber, daß "Geschichts-" und
"Gegenwartsforscher" vor demselben erkenntnistheoretischen Problem
stehen, das die methodologische Gleichbehandlung ihrer
Fragestellungen erzwingt: Beide haben einen jenseits aller
Erfahrung liegenden Gegenstand zu rekonstruieren. Ein Chemiker kann
zwar im Experiment chemische Reaktionen studieren und gesetzmäßig
beschreiben, so wie ein Biologe im Wandel der Fossilien
Gesetzmäßigkeiten feststellt. Um aber solche Beobachtungen einer
Erklärung zuzuführen, müssen beide im Rahmen
einer "Grenzüberschreitung" Theorien voraussetzen,
die die Gesetzmäßigkeiten auf die Existenz nicht erfahrbarer
Elemente (im einen Fall auf Atome und
Moleküle, im anderen Fall auf "Makroevolution")
zurückführen. Niemand war dabei, als sich die Arten wandelten,
und niemand ist auf der elementaren Ebene dabei, wenn sich die Materie
wandelt, daran ändert die Wiederholbarkeit eines Experiments
nichts!
Ein Chemiker kann daher ebensowenig die Existenz von
Atomen mit Gewißheit behaupten, wie ein Biologe den historischen Aspekt
der Evolution streng logisch beweisen kann. Der Wissenschaftler kann nur
die theoretischen Folgerungen (Deduktionen) anhand der
Beobachtung prüfen, er muß also die Beobachtungen im Lichte seiner
Theorien "deuten". Deckt sich die Beobachtung mit den Folgerungen, werden
die Theorien als bestätigt betrachtet. Diese Erkenntnisstrategie
wird als hypothetico-deduktive Methode bezeichnet. Somit
ist die methodische Rekonstruktion historischer Prozesse nicht verschieden
von der methodischen Rekonstruktion der "atomaren
Wirklichkeit". Entweder man hält dann alle nicht
feststellbaren Elemente (Atome, "Makroevolution" usw.) gleichermaßen
aus den Naturwissenschaften heraus, oder man erkennt beide
Erkenntnisgegenstände als naturwissenschaftlich erforschbar an.
Diesen Unterschied Gegenwartsanalyse - Geschichtsrekonstruktion heben
auch viele Evolutionstheoretiker hervor und diese Unterscheidung ist kein
Spezifikum unseres evolutionskritischen Lehrbuchs.
(2) Im Evolutionsbuch wird der Eindruck vermittelt,
als sei die Wissenschaftsauffassung der Autoren die "übliche",
obwohl sie es nicht ist. Da heißt es z.B.: "Naturwissenschaft
(...) befaßt sich mit gegenwärtig ablaufenden Vorgängen und
gegenwärtigen Strukturen der Welt und kann die historische Dimension
nicht erfassen." (s.S. 17). Solche Ansichten vertritt heute fast
niemand mehr. Denn wer sich nicht bei den verschiedensten Gelegenheiten sagt,
ich muß mir diese Dinge (Elementarteilchen, Schwarze Löcher,...)
oder jene Prozesse (Kontinentaldrift, transspezifische Evolution,...) zur
"(...) direkte(n) Beobachtung oder durch experimentelle Analysen"
(s.S. 17) gewonnenen Aussagen dazudenken, sonst reimt sich das alles nicht
mit dem, was sich von diesem oder jenem Ding weiß, für den ist
auch die Behauptung, daß sich die Erde um die Sonne dreht und daß
es Atome gibt, keine naturwissenschaftliche Aussage, sondern bloß eine
"Grenzüberschreitung, die ebenfalls über den Rahmen des empirisch
Begründbaren hinaus führt." (s.S.19).
Neukamm: Denn wenn sich Naturwissenschaft nur und ausschließlich
auf das unmittelbar Feststellbare beschränkten würde, dürfte
sie sich auch nicht mit der Kosmologie, der Geologie oder mit Objekten, wie
Atomen, Elementarteilchen und Schwarzen Löchern beschäftigen.
Sehen Geologen nichts im Gelände? Sehen Astronomen nichts im Fernrohr?
(3) Das stimmt. Hier wird aber die
Theorieabhängigkeit solcher Beobachtungen übersehen, die
man im Falle von Evolution jedoch kritisiert. Das ist nicht machbar.
genauso sieht doch auch der Paläontologe etwas
in den Sedimenten, der Morphologe stellt immer wieder die Ähnlichkeit
der Arten fest, und er wird immer wieder die Bildung funktional angeordneter
Atavismen entdecken. Die Beobachtungen, auf die sich Historiker berufen,
sind ebenso reproduzierbar! Ergebnisse von Experimenten sind aber niemals,
wie dies behauptet wird, "objektive Daten" (s.S. 16), die den
Experimentalwissenschaften einen besonderen Status gegenüber den
historischen Naturwissenschaften verleihen könnten. Sie sind immer nur
Reflexionen einer uns verborgenen objektiven Wirklichkeit, die der
Naturwissenschaftler von der naiven Beobachtung zu abstrahieren hat. Der
Astronom muß den objektiven Informationsgehalt, der hinter einer sich
um die Erde drehenden Sonne verbirgt, ebenso auf der transempirischen Ebene
herausfiltern und "deuten", so wie ein Evolutionsbiologe die transspezifischen
Ähnlichkeiten und der Chemiker seine Experimente "deuten" muß.
Geologen können eine Unzahl von Daten sammeln, doch den Ablauf der
Erdgeschichte können sie nur anhand dieser Daten zu rekonstruieren
versuchen.
(4) Dahinter steckt allenfalls eine quantitative
Beschränkung der historischen Datenerhebung gegenüber
der experimentellen, aber kein qualitativ-methodologischer Unterschied
in der Rekonstruktion der sich jenseits der Daten ansiedelnden
Wirklichkeit. Es gibt keinen epistemologischen Unterschied zwischen einem
Experiment und einer (geschichtlichen)
Beobachtung. Experimente sind nichts anderes als Beobachtungen,
in welchen der Experimentator die Paramater zu einem gewissen Grade frei
wählen kann. Über einen nicht direkt feststellbaren Gegenstand
muß im Rahmen einer "Gegenwartsanalyse" genauso spekuliert werden wie
über einen Prozeß im Rahmen einer historischen Betrachtung. Etwa
ein Physiker, der auf dem Gebiet der allgemeinen Relativitätstheorie
arbeitet, führt die Nichtobservable der "nichteuklidischen Raumzeitstruktur"
ein, weil er dieses theoretische Element zur Rekonstruktion der objektiven
Natur der Gravitation braucht. Es entzieht sich jedoch der
Feststellbarkeit, seine Existenz kann nicht streng bewiesen werden.
In derselben Situation befindet sich der Biologe, der zur Erklärung,
etwa der transspezifischen Formenähnlichkeiten, auf die Abstammungshypothese
zurückgreifen muß. Wenn man einen Grund für den Erfolg der
Naturwissenschaft anzugeben hat, so ist es die wachsende Abstraktion von
der grobsinnigen Erfahrung bei der Wahl der Bausteine der Theorien. Mehr
wissenschaftstheoretische Aspekte zu diesem Thema finden Sie an
dieser
Stelle.
Den Ablauf selber können sie aber nicht methodisch in derselben Weise
untersuchen wie sie die Schichtenabfolgen in geologischen Aufschlüssen
beobachten und beschreiben können. Um diesen Unterschied in der Methode
geht es im Zusammenhang des wissenschaftstheoretischen 1. Kapitels des
evolutionskritischen Lehrbuchs.
Neukamm: Dabei ist es wenig hilfreich darauf zu verweisen, daß
naturwissenschaftliche Theorien im Experiment geprüft werden könnten.
Experimente sind nicht weniger zu interpretieren als Naturbeobachtungen in
historischen Kontexten, weil natürlich auch sie unbeobachtbare
Erkenntnisgegenstände zum Thema haben. Wissenschaft ist also gerade
die Wissenschaft vom Unbeobachtbaren, das durch Theorienbildung erschlossen
wird.
Auch wenn Daten immer interpretiert werden müssen: Die historische
Fragestellung ist eine andere als die experimentelle. Darum geht es
hier.* Darüber hinaus haben Experimente
selbstverständlich entweder direkt beobacht-bare oder wenigstens indirekt
meßbare Erscheinungen oder Abläufe, die heute vorkommen, zum
Gegenstand, was bei vergangenen Abläufen nicht in derselben Weise der
Fall ist.
(5) * Es kann für unsere Betrachtungen aber nicht
darum gehen, ob zwischen historischen und experimentellen Untersuchungen
Unterschiede in den Fragestellungen bestehen. Daß dem
so ist, bestreitet niemand. Wenn dieser Punkt ausschlaggebend wäre,
könnte man auch die unterschiedlichen Fragestellungen in der Biologie
und Physik betonen, um dann als einziger Disziplin der Physik (als der
"exakteren" Wissenschaft) einen naturwissenschaftlichen Status
einzuräumen (derartige Versuche gibt es immer wieder mal).
Naturwissenschaftliche Disziplinen sind aber, wie Junker selbst betont, auf
indirekte Verfahren angewiesen. Und diese setzen eben
die Akzeptanz der hypothetisch-schlußfolgernden Methode voraus,
die historische und "Gegenwartstheorien" gleich behandelt.
Neukamm: Daher kann der von den Autoren unternommene Versuch,
gleichsam aus der "Mausperspektive" zu argumentieren und zu behaupten, im
Evolutionsexperiment sei meist der Nachweis von "Verlustmutationen"
führbar, wenig überzeugen.
Die kausale Evolutionsforschung verfolgt das Ziel, die Mechanismen der
Entstehung neuer "Bauteile" und Baupläne aufzuklären. Und wenn
die bekannten Mechanismen nur Variation, Optimierung, Verluste etc. zeigen,
dann darf man mit Fug und Recht behaupten, daß die Frage der Mechanismen
der Makroevolution (Neu- oder Umkonstruktionen) derzeit nicht empirisch
beantwortet ist. Eine weitergehende Schlußfolgerung wird im
evolutionskritischen Lehrbuch nicht gezogen.
(6) Das wäre in etwa so, also würde man dem
"Heliozentriker" entgegenhalten, daß man immer nur die Drehung der
Sonne um die Erde feststellt. Die Theorie erklärt ja, weshalb es uns
nur so vorkommt, genauso wie man erklären kann, weshalb
Evolutionsexperimente vorwiegend nur "kleine Variationen" und Funktionsverluste
zeigen. Zum einen laufen evolutionäre Veränderungen im allgemeinen
so langsam ab, daß man immer nur die Addition weniger Mutationen über
empirisch verfolgbare Zeiträume feststellen kann (selbst die von
Punktualisten und Systemtheoretikern diskutierte "schnelle" Evolution vollzieht
sich meist über mehrere 104 bis 105 Jahre und
leitet rasch wieder zu langen Zeiten der Typostasis über). Und auch
der experimentelle Aufbau eines völlig neuen "Typs" ist
schwierig. Man kann gewiß neue Phänotypen heranzüchten. Um
einen völlig neuen Organisationstyp herauszupräparieren, müssen
aber neue Gewebsstrukturen auf- oder angebaut werden, die auch im Hinblick
auf das "Binnenmilieu" hinreichend stabil sind. Solche kleine erfolgversprechende
phänotypische Veränderungen (die sich zunächst einmal auf
der molekularen oder zellulären Ebene abspielen), werden im Ansatz entweder
gar nicht erkannt oder als "Mißbildungen" verkannt. Es ist dagegen
kaum zu vermeiden, daß der Experimentator immer wieder Mutanten
auswählt, die aufgrund innerer Mißbildungen und ungünstiger
Genkombinationen "untüchtiger" sind als die "Wildtypen".
Neukamm: Eine nicht minder beliebte, gleichwohl aber ebenso
unglückliche Argumentationsstrategie ist die Überbetonung offener
Fragen nach den Ursachen und Entwicklungsabläufen in der Evolution,
um der eigenen Überzeugung Raum zu verschaffen.
Es ist vollkommen legitim, offene Fragen herauszustellen. Diese offenen
Fragen werden im evolutionskritischen Lehrbuch jedoch nicht automatisch als
Stützen für eine Alternative gewertet.
(7) Die Autoren können schwer bestreiten, daß
offene Fragen, "(...) die durch Evolution nicht erklärbar zu sein
scheinen", zur Abstützung der "Message-Theorie"
herangezogen werden. Dies schreiben sie ausdrücklich auf S.
297 (näheres dazu sowie das entsprechende Zitat in Anmerkung
23). Zunächst nur soviel: Die Argumentation kann nicht zum Ziel
führen, weil sie der Definition eines
Forschungsprogramms nicht Rechnung trägt: Jedes Modell
stößt an Erklärungsgrenzen, die Existenz unvollständig
erklärter Zusammenhänge ist der Normalfall in der empirischen
Wissenschaft. Wenn jede offene Frage, jede empirische "Falsifikation" gleich
ein theoretischer Defekt wäre, müßten alle "großen"
Theorien infragegestellt worden sein, als sie konstruiert wurden (Beispiele
benennt CHALMERs und können auf Nachfrage geliefert werden). Daher
müssen sie stetig derart modifiziert werden, daß sie gegenüber
ihren Vorgängertheorien einen Überschuß an empirischem Gehalt
aufweisen. Imperfekte, gleichwohl aber erklärungsmächtige Theorien
werden also nicht aus dem "Rennen geworfen" - deren Erfolge und ein
Großteil ihrer Begrifflichkeiten müssen sich ja in den "tieferen"
Theorien wiederfinden. Ansonsten gäbe es keine Forschung und keine
Kontinuität im wissenschaftlichen Fortschritt. Die Schöpfungsthese
verunmöglicht beides, weil sie die Antwort stets schon parat hält
und tieferes Nachforschen "erspart".
Neukamm müßte hier wenigstens eine Stelle zeigen, wo dies angeblich
geschieht. So aber macht er unzutreffende Behauptungen über den Inhalt
des Buches.
(8) Vergleichen Sie dazu bitte Anmerkung (23). Für
etwas unfair halte ich beispielsweise die Passage über das
Synorganisationsproblem (s.S. 80-93). So wird dort u.a. am Beispiel der
Kannenpflanze Nepenthes behauptet, die verschiedenen Evolutionstheorien
könnten keine Erklärung für die Evolution des Kannenblatts
liefern, woraus auf S. 91 der Schluß gezogen wird, daß das
"Phänomen der Synorganisation" ungelöst sei. Die Autoren
haben zwar Recht, wenn sie feststellen, daß man keine
strukturell-funktionalen Details (Spezifika) erklären kann, versäumen
es allerdings zu erwähnen, daß allgemeine Theorien
prinzipiell keine Spezifika erklären, ansonsten
verlören sie ihren allgemeinen Erklärungswert (Theorien sollen ja
auf eine möglichst große Referenzklasse anwendbar sein). Damit
die Systemtheorie der Evolution auch Spezifika erklären kann, muß
man sie mit zu erforschenden Details über die betreffende Organismengruppe
anreichern. Abgesehen davon wird auch nicht erörtert, inwieweit hier
die Schöpfungstheorie überhaupt mehr erklärt.
Neukamm: Es wird hier vergessen, daß die Evolutionstheorie aus
zwei Bereichen besteht, zum einen aus der Deszendenzhypothese, welche die
Verwandtschaft der Lebewesen, also deren Abstammung von einer oder einigen
wenigen Stammarten lehrt, sowie aus verschiedenen Kausaltheorien, welche
die Wirkfaktoren und Mechanismen evolutiver Veränderung zum Thema haben.
Das wird keienswegs vergessen. Vielmehr werden im Buch genau diese beiden
Bereiche durch die Anordnung der Kapitel auseinandergehalten (Kapitel III,
IV: Kausale Evolutionsforschung; Kapitel V, VI: Historische Evolutionsforschung).
Wieder eine Falschbehauptung über den Inhalt des Buches.
(9) Wo habe ich hier eine Falschbehauptung aufgestellt?
Es war nicht die Rede davon, daß die Autoren die beiden Bereiche in
den entsprechenden Kapiteln getrennt abgehandelt haben, sondern
daß diese in der wissenschaftstheoretischen Argumentation
vermengt werden. So behaupten die Autoren etwa: "Wenn (Makro-)Evolution
stattgefunden hat, muß die Entstehung neuartiger biologischer Strukturen
auch auf molekulargenetischer Ebene nachvollziehbar sein (...) Ergebnis der
Überlegungen in diesem Kapitel ist, daß molekulare Mechanismen
nennenswerter Höherentwicklung (Makroevolution) bis heute unbekannt
sind." (s.S. 96). Aus solchen: "Weithin unbekannten Deutungsproblemen
und offenen Fragen (...)" wird der Schluß gezogen: "(...) daß
Makroevolution als Leitvorstellung ernsthaft in Frage gestellt werden muß"
(s.S. 5). Abgesehen davon, daß dies nicht der in (7) erwähnten
Forschungsmethodik entspricht, sind die hier vorgenommenen Implikationen
wissenschaftslogisch falsch. Denn die Grundfrage der Abstammung
("Makroevolution") ist von Mechanismusfragen logisch unabhängig. Die
Grundlage des Abstammungsgedankens bilden ja nicht Theorien über die
Triebkräfte in der Evolution, sondern z. B.
historische Belege. Daher ist es auch müßig, sich
über irgendwelche Details zu streiten. An der Bejahung der Grundfrage
können sie nichts ändern.
Neukamm: Beide Bereiche sind insofern logisch unabhängig, als
beispielsweise, selbst wenn sich alle Kausaltheorien und manche Details in
einigen konstruierten Stammbäumen als falsch herausstellen würden,
nicht folgte, daß damit die Deszendenzhypothese falsch wäre. Daher
können die Autoren aus der Feststellung, daß dieser Mechanismus
oder jener Entwicklungsschritt noch nicht gelöst oder aber unzureichend
zur Erklärung dieser oder jener Anpassung sei, die Abstammungshypothese
nicht infragestellen, für die ja unabhängig von der Kausalfrage
eine Unzahl an Belegen spricht.
Die Abstammungshypothese wird ja nicht nur aufgrund der Problematik der
Kausaltheorien der Evolution in Frage gestellt, sondern eben insbesondere
dadurch, daß in den Kapiteln V und VI die Stichhaltigkeit der Belege
untersucht und kritisiert wird. Da diese Belege als nicht stichhaltig
herausgestellt werden, bekommt die Kausalfrage besonderes Gewicht.
(10) Mir ist nicht klar geworden, in welchen Bereichen
dort die Stichhaltigkeit der Belege für die
Abstammungshypothese ins Wanken geraten sein soll. Obgleich
Belege immer interpretiert werden müssen und man auch
bei bestimmten Fragen (Homologieproblem, molekulare Uhren usw.) auf
Schwierigkeiten stößt, ist damit die Erklärungskraft der
Abstammungshypothese nicht infrage gestellt. Denn die gradweise abgestufte
Formenähnlichkeit, das Auftreten von funktional angeordneten
Atavismen (z.B. Blätter bei Kakteen), der systematische
Formenwandel im Fossilbefund, die Ähnlichkeit bestimmter
Embryonalstadien mit embryonalen Endorganen anderer Gruppen sind
Beobachtungen, die mit Abstammung erklärbar sind. Die Stichhaltigkeit
der Belege wäre nur dann anfechtbar, wenn in allen genannten
Fällen die gegenteiligen Szenarien festgestellt würden. Noch niemand
hat bis heute völlig unähnliche Arten oder den chaotischen
Formenwandel im Fossilienbefund festgestellt. Und der Umstand, daß
man solche Beobachtungen auch anders erklären kann, ist kein kritikabler
Gesichtspunkt - dies gilt, wie POPPER betont hat, für alle Theorien,
auf welche die hypothetico-deduktive Methode angewendet wird.
Neukamm: Kurzum: Ursachenfragen bilden nicht die Grundlage der
Abstammungshypothese, die es immer wieder neu zu begründen gälte.
Offene Detailfragen über den Ablauf und die Triebkräfte der Evolution
sind mit anderen Worten Antrieb der wissenschaftlichen Forschung und hier
keineswegs geeignet, um die transspezifische Evolutionsvorstellung
infragezustellen.
Ungeachtet der methodologischen Fragwürdigkeit des Buches werden jedoch
die evolutionstheoretischen Konzepte und Forschungsergebnisse im wesentlichen
sachlich kompetent beschrieben. Eine Ausnahme bilden die Kapitel, welche
die fossilen Übergangsformen zum Thema haben. Behauptungen wie etwa
diejenige, die mosaikartige Verteilung von Merkmalen bei Lebewesen
entspräche nicht den Erwartungen einer kontinuierlich verlaufenden
Evolution* zeigen, daß die Autoren weder die phylogenetische Systematik
noch das Konzept der Artspaltung hinreichend verstanden haben.
*So wird das im evolutionskritischen Lehrbuch gar nicht behauptet.
(11) Auf Seite 234 wird bemängelt, daß es
kein "lückenloses Kontinuum" in der Pferdeevolution gibt. Wie
dies nach Vorstellung der Autoren aussehen soll, wird aber nicht
ausgeführt. Auch auf Seite 86 wird betont, daß zwischen den
"Organisationsstufen" des Auges, "(...) keine kontinuierliche Seite vorliegt".
Dort gestehen die Autoren zwar zu, daß Evolution "mosaikartig"
abläuft, verwenden aber kurioserweise auf S. 244 den Mosaikcharakter
von Archaeopteryx wieder als Argument gegen die Übergangsstellung des
Urvogels: "Zum einen stehen die Mosaiktypen nicht im Sinne einer
Übergangsform zwischen zwei Gruppen...". Das ist ja aber gerade
das Typische von Mosaikformen!
Vielmehr wird darauf hingewiesen, daß man terminologisch zwischen
"Zwischenform" oder "Mosaik-form" als beschreibenden und "Bindeglied" oder
"Übergangsform" als interpretierenden Begriffen unterscheiden muß,
und daß Mosaikformen nicht automatisch als evolutionäre
Übergangsformen zu interpretieren sind (s. S. 216).
(12) Es geht hier darum, daß die Autoren in den
Begriff "Übergangsform" eine andere Bedeutung hineinlegen
als die meisten Evolutionsbiologen es tun. Junker und Scherer fordern langsame
Veränderungen aller Merkmale eines "Typus", das heißt man will
harmonische Übergänge sehen, wobei die fossilen Merkmale exakt
zwischen denen der zu überbrückenden Gruppen stehen
sollen: "Von einer echten Übergangsform erwartet man eine langsame
Veränderung der einzelnen Merkmale (...) Archaeopteryx hatte typische
Reptil- und typische Vogelmerkmale, aber keine, von denen man sagen könnte,
sie stünden genau zwischen denen von Vogel und Reptil." (s.S. 244,
teilweise nach de BEER).
Diese Erwartung ist aber nicht realistisch, denn
transspezifische Evolution kommt nicht nur durch
Artumwandlung (Anagenese), sondern auch durch
Artaufspaltung (Kladogenese) zustande. Artspaltung bedingt
den Mosaikmodus der Evolution mit, das heißt einige Merkmale entwickeln
sich relativ schnell (Punktualismus!), während andere in ihrer Entwicklung
zurückbleiben (Heterobathmie). Das bedeutet, es gibt immer nur
Mosaikformen, also solche, die fortschrittliche Merkmale sowie
primitive Merkmale (phylogenetisch älterer Gruppen)
gleichermaßen in sich vereinen, aber keine, die "genau zwischen" den
Gruppen stehen. Ohne das Nebeneinander von fortschrittlichen Merkmalen und
ursprünglichen Merkmalen "vieler verschiedener Gruppen" könnte
man keine Stammbäume erstellen, weil nur das hierarchisch abgestufte
Nebeneinander urtümlicher und neuer Merkmale in einen Stammbaum
übersetzt werden kann.
Viele Mosaikformen wie z. B. das Schnabeltier werden auch von
Evolutionstheoretikern nicht als evolutionäre Übergangsformen
interpretiert. Damit erübrigt sich der Vorwurf, die Autoren hätten
"weder die phylogenetische Systematik noch das Konzept der Artspaltung
hinreichend verstanden". Daß wir beides richtig verstanden haben, ist
an anderen Stellen des Buches ersichtlich (III.5; Kasten Seite 160).
(13) Diese Aussage soll kein Affront sein. Ähnlich
haben auch Kenner der phylogenetischen Systematik (Kladistik) das Evolutionsbuch
kommentiert (Literaturzitate auf Nachfrage). Beispielsweise in Abbildung
6.9 (s.S. 86) sind zwei "Bauplantypen" skizziert, die schrittweise
durch "unfertige Zwischentypen" überbrückt werden sollen. Zwei
Menschen, die wissen wovon sie sprechen, haben mir aber unabhängig
voneinander versichert, daß es solche voneinander abgekoppelten
"Großgruppen" in der Kladistik gar nicht gibt, sondern nur
feinverästelte Verzweigungen. Alle Verzweigungen (wie z.B. die Äste
der "säugetierähnlichen Reptilien" und der Abzweig der Kloakentiere)
können immer nur "fertige Typen" repräsentieren, die
hierarchisch abgestuft in ranghöhere Gruppen (hier: die Säugetiere)
eingeschachtelt sind. Von daher macht es aus Sicht der phylogenetischen
Systematik keinen Sinn festzustellen, daß "(...) Fossilien immer
fertige Typen darstellen" und "(...) das Fehlen von
Übergangsformen" zu folgern (s.S. 86). Wer, wie auch HEBERER
schon vor 60 Jahren betont hat, die Tiere in voneinander abgekoppelte
"Großgruppen" steckt, der braucht sich nicht zu wundern, daß
just zwischen diesen Übergangsformen regelmäßig zu
fehlen scheinen (näheres in (17)).
Neukamm: Die erhobene Forderung, die fossil überlieferten
Übergangsformen müßten in allen Charakteren eine Mittelstellung
zwischen den zu überbrückenden Organismengruppen einnehmen, haben
schon MAYR und REMANE als unberechtigt zurückgewiesen, weil Artspaltung
und die unterschiedlichen Evolutionsgeschwindigkeiten der Merkmale ja gerade
den Mosaikmodus der Evolution zur Folge haben.
Es geht hier darum, daß eine Fossilform nicht dann eine evolutive
Übergangsform sein kann, wenn einige ihrer Merkmale nicht in die
Übergangsstellung passen.
(14) Wenn hier Junker auf die Frage "Stammart oder
Seitenast?" anspielt, ist ihm in einem Punkte beizupflichten: Wenn eine
Art über spezielle Merkmale verfügt, die nur ihr oder ihrer Gruppe
zueigen sind (Autapomorphien), dann muß diese im Stammbaum in
einen "Seitenast" eingruppiert werden und kann nicht als "echte Ahnenart"
(Stammart) bezeichnet werden. Der Evolutionsbiologe sieht aber auch in den
Seitenästen "echte Übergangsformen", weil er in Kenntnis der
Artspaltung (kladogenetische Evolution) von einem
feinverästelten Verzweigungsschema auszugehen hat. Die Frage "Stammart
oder Seitenast?", erweist sich deshalb nicht als Prüfstein für
die Bejahung einer transspezifischen Evolution, weil ja schon das
stufenweise Auftreten neuer, eine rezente Gruppe
charakterisierender Merkmale deren stammesgeschichtliche Entwicklung belegt
(so wie etwa die "säugetierähnlichen Reptilien" mit
dem heterodonten Gebiß, dem sekundären Kiefergelenk usw. ein
Schlüsselmerkmal der rezenten Säugetiere nach dem anderen entwickelt
haben). Ob eine solche Übergangsform auch über ein nur ihm eigenes
Merkmal (oder über Konvergenzen) verfügt, oder ob ihr Konvergenzen
und Autapomorphien fehlen (so daß er eine Stammart verkörpert),
ist für die Deszendenzfrage zweitrangig.
Genauso argumentieren auch Evolutionstheoretiker. Beispiele können
geliefert werden.
(15) Natürlich gibt es immer Vertreter der
"idealistischen Biologie", wie etwa de BEER oder SCHINDEWOLF, die im Hinblick
auf die traditionelle Systematik andere Bewertungskriterien
für den Status einer Übergangsform zugrundelegen,
wie die Vertreter der phylogenetischen Systematik.
Neukamm: Evolution verläuft also nicht, wie postuliert wird,
über ein lückenloses Formenkontinuum, sondern weitgehend mosaikartig.
Richtig; wir haben das auf Seite 86 (vgl. Abb. 6.9) auch selber so
beschrieben. Die Frage ist doch dann aber, ob die tatsächlich existenten
Mosaikformen sich einigermaßen widerspruchsfrei in Stammbäume
einpassen lassen. Und das ist gewöhnlich nicht der Fall und das muß
in einem kritischen Lehrbuch herausgestellt werden.
(16) Würden wir aber kein realhistorisches Ereignis
rekonstruieren, hätten sich viele Inkonsistenzen ergeben, die alle Versuche
schon im Ansatz hätten scheitern lassen. Im übrigen sind Konvergenzen
nicht so unerklärt, "anomal" und problematisch, wie im Lehrbuch der
Eindruck vermittelt wird. So wird behauptet: "Da es ohnehin schwierig
ist, eine umweltgesteuerte Auslese zusammen mit ungerichteten Mutationen
als Triebfeder für die einmalige Entstehung komplexer Organe verantwortlich
zu machen, wird die mehrmalige Entstehung ähnlicher komplexer Strukturen
umso unglaubhafter: Daher verschärft das zahlreiche Auftreten von
Konvergenzen die in III.6 diskutierte Problematik einer Makroevolution."
(s.S. 160)
Junker und Scherer haben hier aber bestenfalls
ein Argument gegen bestimmte "traditionelle" Evolutionsvorstellungen in der
Hand, nicht aber gegen modernere Erklärungsansätze. Von daher wirkt
der Einwand etwas antiquiert, weil heute kaum noch ein Biologe in Konvergenzen
einen ernsten Einwand gegen Evolution sieht. In neuerer Zeit wird klarer,
daß auch die "innere Selektion" nur bestimmte Modifikationen
zuläßt, daß also das "epigenetische System"
dem Gestaltungsspielraum enge Grenzen steckt. Das heißt, Evolution
verläuft dann streckenweise in "vorgegebenen Bahnen". Gleichartige
"Entwicklungszwänge" führen so zu Konvergenzen (Parallelentwicklungen),
die nicht auf Umweltanpassung beruhen.
Neukamm: Schließlich erweist sich der im Buch gebrauchte Begriff
von der Übergangsform als ein Relikt aus der traditionellen Systematik,
in der es noch so etwas wie große getrennte Klassen von Lebewesen (wie
Ordnungen, Klassen, Stämme und dergleichen) gab, die es zu
überbrücken galt.
Nein, das ist kein Relikt, denn auch nach heutigem Evolutionsverständnis
geht man schließlich davon aus, daß letztlich verschiedene Typen
von Lebewesen genealogisch überbrückt wurden. Ob man diese Typen
mit "Klassen", "Ordnungen" etc. bezeichnet oder mit neuen Taxonnamen der
Kladistik belegt, hat für diese Problematik keinerlei Bedeutung.
(17) Die Gruppen werden ja genealogisch
überbrückt. Dies geschieht in der phylogenetischen Systematik
nur in einer anderen Weise als es in der traditionellen Systematik
gemutmaßt wird. Der Unterschied ist für diese Frage sehr bedeutsam,
wie mir von mehreren Kladisten versichert wurde:
Die traditionelle Systematik teilt die
Arten in hierarchische Kategorien und Typen ein. Die phylogenetische
Systematik bestimmt dagegen durch konsequente Merkmalsvergleiche
natürliche Schwestergruppen. So begründen etwa die
Vögel und Krokodile in der Kladistik ein natürliches
Verwandtschafts- bzw. Schwestergruppenverhältnis. Dort gibt es also
eine einheitliche Gruppe der Reptilien gar nicht mehr, sondern nur noch
ineinandergeschachtelte Schwestergruppen innerhalb der Gruppe der Sauropsiden,
der auch die Krokodile und Vögel angehören. In der traditionellen
Systematik werden solche Verwandtschaftsbeziehungen aber auseinandergerissen,
die Organismen in "grundlegend getrennte Typen" (Vögel und
"Reptilien") gesteckt, die jetzt durch Übergangsformen
überbrückt werden müssen und die man dann auch nicht
findet:
"Wenn man sich Kunstgebilde herstellt, wie es die
Typen des Systemes sind, wenn man das tierische System in die 'Zwangsjacke
der Typenlehren' (Groß) steckt, dann kann man sich schließlich
nicht wundern, 'daß die Lückenhaftigkeit der Überlieferung
ausgerechnet immer nur diese Generationenfolgen zwischen den Bauplänen'
betrifft. Archäopteryx ist - nach Meinung der meisten Paläontologen
- ein Vogel. Sie ist vom Reptil nach dem Urteil der Typengläubigen durch
einen 'grundlegenden Wesensunterschied' getrennt. Man muß aber nicht
kleingläubig werden (...) wenn man (...) sich überlegt, was für
eine Stellung im System die Gattung Archäopteryx einnähme, wenn
sie nicht die jüngeren Vögel als Nachfolger hätten? Dann
'würde man sie als die differenzierteste Reptilordnung
auffassen'!" (HEBERER, 1943 - Literatur
auf Wunsch)
Und nur weil die herkömmliche Systematik
natürliche Schwestergruppen auseinanderreißt, erscheint
es so, als sei zwischen den "Kunstgebilden der Typen" eine Makroevolution
abgelaufen, in der scheinbar die entsprechenden Übergangsformen fehlen.
Würde man jedoch konsequent die phylogenetische Systematik anwenden,
erscheinen die ursprünglich großen Unterschiede nur noch in Form
abgestufter Ähnlichkeiten, zwischen denen jetzt die fossilen Mosaikformen
in Gestalt von Abzweigen im Kladogramm intermittieren. Mehr zu dem Thema an
dieser
Stelle.
Neukamm: In der phylogenetischen Systematik gibt es jedoch solche
hierarchischen Kategorien gar nicht mehr, sondern nur noch feinverästelte
Verzweigungsschemata.
Das tut in der Frage nach Übergangsformen ebenfalls nichts zur
Sache.
Neukamm: (...) Geradezu ein Paradebeispiel in der antievolutionistischen
Diskussion verkörpert schließlich das Infragestellen der Entstehung
von bestimmten Proteinen oder komplexen Organen aus
Wahrscheinlichkeitsgründen. Die Autoren bemühen dazu als Beispiel
den "Bakterienmotor" von Escherichia coli, verleihen den Strukturen eine
mathematische Präzision und weisen nach, daß die Wahrscheinlichkeit
für die Entstehung der fraglichen Merkmale extrem klein sei. Dieses
Argument erweist sich schon allein deshalb als fehlerhaft, weil sich praktisch
jedes beliebige Ereignis im Nachhinein außerordentlich unwahrscheinlich
machen läßt.
Es geht darum, daß nach gegenwärtigem
Kenntnisstand von einem selektionspositiven Zustand zu einem anderen eine
Minimalanzahl von Änderungsschritten (Mutationen) erforderlich ist.
Das ist unabhängig davon, wie die jeweiligen Strukturen aussehen. Dazu
müssen auch keine ganz bestimmten Ergebnisse "anvisiert" worden sein.
Diese Minimalanzahl kann unter Berücksichtigung des Selektionsaspekts
und neutraler Mutationen für Wahrscheinlichkeitsrechnungen zurgrundegelegt
werden.
(18) Das Problem dieser "Minimalforderungen" besteht
darin, daß sie überwiegend auf Nichtwissen basieren. Ihnen liegen
historische und kausale Randbedingungen zugrunde, die noch gar nicht durchschaut
und daher auch nicht statistisch analysierbar sind. Wenn beispielsweise die
"irreduzierbare Komplexität" eines Organs (z.B. des
Kannenblatts der Kannenpflanze Nepenthes, s.S. 80) behauptet wird, setzt
man stillschweigend voraus, daß alle Teile von Beginn der Entstehung
an im selben Funktionszusammenhang gestanden haben und daher gleichzeitig
entstanden sein müssen, um positiv selektiert zu werden. Wenn jedoch
alle Teile primär im Dienste ganz anderer Funktionen standen, stimmen
die Voraussetzungen nicht. Auch in der molekularen Evolution
ist die "Minimalzahl" der erforderlichen Änderungsschritte,
um von einem Funktionsmolekül zum nächsten zu gelangen, nicht genau
angebbar. Außerdem existieren "selektionsneutrale Pfade", die zur
Überbrückung zweier "Basisfunktionszustände" genutzt werden
können. Daher ist auch die "Gleichzeitigkeit" von Mutationen
(die allen Berechnungen im Evolutionsbuch zugrundeliegt, z.B. auf S. 132)
eine empirisch ungedeckte Forderung. Allgemein gilt, daß die Beziehungen
zwischen Sequenz, Struktur und Funktion von Biomolekülen noch kaum
verstanden sind.
Ähnliches gilt im Falle des
"Synorganisationsproblems": Es ist kaum bekannt, welche Gene
wie miteinander verschaltet werden können, damit für ein bestimmtes
System ein Selektionsvorteil resultiert. Daher ist auch die Behauptung, daß
"Eine Promotor-Region (...) unter mehreren 1000 Genen an genau die passende
Stelle vor die zu koppelnden Gensequenzen eingebaut" werden muß
(s.S. 93), irrelevant, solang nicht klar ist, wieviele Stellen überhaupt
"passen". Dazu müßte man z.B. alle inneren und äußeren
Selektionsdrücke kennen und wissen, wie sie sich historisch verändert
haben. Ähnliches gilt auch für die
"Ursprungsfrage": Solange wir nicht wissen, über welche
Vorstufen (Hypercyclus, selbstreplikative RNA, Quasispezies u.ä.) das
Leben seinen Anfang nehmen konnte, inwieweit die Naturgesetze den Zufall
einschränken, welche Bausteine in der Ursuppe vorlagen, welche Reaktionen
katalytisch an welchen Mineralien ablaufen können, über welche
Wege die Bildung des genetischen Codes möglich ist usw., können
wir keine sinnvollen Mindestanforderungen stellen. Mit dieser Unkenntnis
im Rücken läßt sich keine Wahrscheinlichkeitsanalyse
durchführen.
Neukamm: Es wird übersehen, daß es beliebig viele
Möglichkeiten gibt, um ein System, unter Berücksichtigung von
Doppelfunktionen und systemtheoretischen Gesichtspunkten, selektionspositiv
weiterzuentwickeln.
Nein, es gibt nicht beliebig viele Möglichkeiten. Das ist eine Behauptung
ohne jede Begründung.
Neukamm: Die geringe Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines
Einzelereignisses wird also durch eine immense Zahl an potentiellen
Realisierungsmöglichkeiten aufgewogen, wodurch der
Wahrscheinlichkeitseinwand ins Leere läuft.
Neukamm geht in keiner Weise direkt auf die Darstellung des Buches (Seiten
128-134) ein. Wenn er sich die Mühe machen würde, zu zeigen, wo
die Argumentation falsch ist, könnte man darüber konkret diskutieren.
(19) Konkret: Es macht keinen Sinn zu berechnen, wie
wahrscheinlich es ist, gleichzeitig (!) 28 Mutationen (s.S.
132) zusammenzubekommen, um das Bakterium E. coli mit einem "Motor"
auszustatten, solange z.B. nicht bekannt ist, ob "Teile" davon nicht ganz
andere Primärfunktionen erfüllt haben und daher "präadaptiert"
waren. Interessanterweise besitzt E. coli Gene
zur Bildung von Strukturen, die denen des Motors ähneln. Etwa das
"TypIII-Protein-Sekretionssystem" besteht aus Proteinen, die
denen des Bakterienmotors homolog sind (die Konstruktionen haben zahlreiche
Strukturelemente gemein) (*). Allein aufgrund dieses Aspekts ist das
Rechenbeispiel schon obsolet. Denn man müßte hier die Beziehungen
zwischen den für den Bakterienmotor codierenden Genen und beispielsweise
denen des "TypIII-Protein-Sekretionssystem", die daraus resultierenden
Entwicklungsmöglichkeiten und synergetischen Aspekte, ja streng genommen
den kompletten Gensatz von E. coli mit berücksichtigen, anstatt die
Antriebseinheit als eine diskrete, ex nihilo zusammengewürfelte
Konstruktion, abzuhandeln.
Solche Randbedingungen sind natürlich noch viel
zu wenig erhellt. Mit Nichtwissen läßt sich aber keine
Evolutionskritik und keine Wahrscheinlichkeitsdiskussion begründen,
weil die Richtigkeit der von Evolutionsgegnern erhobenen "Minimalforderungen"
kaum zu beweisen ist. Diese Argumentationsstrategie ist auch deshalb
inkonsequent, weil Evolutionsgegner ähnlich argumentieren, z.B.
dann, wenn es um das Nichtwissen über die "Funktionslosigkeit" von Merkmalen
geht. So wird im Evolutionsbuch behauptet: "Funktionslosigkeit ist kaum
nachweisbar" (s.S. 171).
(*) Heuck CJ (1998) Type III Protein
Secretion Systems in Bacterial Pathogens of Animals and Plants. Microbiology
and Molecular Biology Reviews, Vol. 62, No. 2, S. 379-433; zitiert nach van
TILL, URL:
http://www.counterbalance.net/id-hvt/id-hvt-print.html
Die "immense Zahl an potentiellen Realisierungsmöglichkeiten" wird
im übrigen in unserer Rechnung implizit berücksichtigt. Sie gleicht
die geringen Wahrscheinlichkeiten jedoch bei weitem nicht aus.
(20) Man kann die Frage auch abstrakter stellen: "Darf
man einfach aufgrund der a priori (!) -Unwahrscheinlichkeit eines
bereits eingetretenen Singulärereignisses schließen, daß
es nicht zufällig entstanden ist?" Daß das nicht machbar
ist, verdeutlicht ein Beispiel: Nehmen wir an, wir würfeln hundertmal
in Folge. Jede Zahlensequenz hat eine Wahrscheinlichkeit von
6-100. Das "Staunen" beginnt erst dann, wenn man - im Voraus!
- eine bestimmte Zahlenfolge im Kopf hat, und sie dann
reproduziert bekommt! Solange nicht gefordert wird, daß man
ein unwahrscheinliches Ereignis zu reproduzieren hat, können
alle nur denkbaren, beliebig unwahrscheinlichen Ereignisse zufällig
eintreten.
Neukamm: Selbst wenn der geneigte Leser von den fragwürdigen
fachlichen und wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten abzusehen gewillt
wäre, käme er jedoch kaum umhin festzustellen, daß sich der
wohl größe Irrtum im Buche in der originären Zielsetzung
der Autoren niederschlägt.
Zur Erinnerung hier die Zielsetzungen des Buches, wie sie im Vorwort als
Hauptanliegen formuliert sind *: "Weitgehend
unbekannte Deutungsprobleme und offene Fragen der Evolutionslehre werden
systematisch und umfassend thematisiert. Sie haben ... ein so großes
Gewicht, daß Makroevolution als Leitvorstellung ... in Frage gestellt
werden muß..."** (S. 6).
(21) * Siehe dazu insbesondere Anmerkung 23.
** Eben diese
Schlußfolgerung ist, wie in (9) begründet wird, logisch nicht
vertretbar.
Neukamm: Die Evolutionskritik kann im Rahmen der Schöpfungsidee
nur dann überhaupt einen Sinn machen, wenn die vermeintliche
Fragwürdigkeit des Evolutionskonzepts in Argumente für die
Schöpfungsvorstellung umgemünzt werden.
Das ist zum einen nicht das Hauptanliegen des Buches. Zum anderen wird
an manchen Stellen konkret gezeigt, wie manche (!) Argumente im Rahmen der
Schöpfungslehre eine Deutung finden, insbesondere in Kapitel VII. Neukamm
geht auf die dort vorgestellten Ansätze nicht ein
*.
(22) * Näheres zu Kapitel VII findet sich
in (24). Im übrigen bedeutet der Umstand, daß man Deutungen vornehmen
kann, ja nicht automatisch, daß damit schon eine wissenschaftliche
Erklärung vorliegt. Erklärungen liegen immer dann vor, wenn eine
bestimmte Beobachtung logisch aus der (mechanismischen) Theorie folgt.
Ist das der Fall, kann man auch erklären, warum wir gerade diese
und keine andere Beobachtung machen können. Ein Beispiel:
Der Umstand, daß abgestufte Formenähnlichkeiten
zwischen den Lebewesen bestehen, ist in der
Evolutionstheorie trivial, und wäre es anders, wäre
wohl keine Evolutionstheorie entstanden. Es handelt sich um eine Folgerung
aus der Abstammungshypothese (insbesondere
im Rahmen des von DARWIN vorgeschlagenen Evolutions-Mechanismus "Variation
und natürliche Zuchtwahl"): Wenn strukturelle
"Information" an die Nachkommen vererbt wird, wenn sich die Arten
allmählich umwandeln und wenn die Abstammungshypothese stimmt, dann
muß zwischen den Arten eine abgestufte
Formenähnlichkeit bestehen, die sich bis hinab zur molekularen Ebene
erstreckt.
Eine solche Erklärung kann man im Falle
der Schöpfungstheorie aber nicht vornehmen: Man kann
natürlich die Ähnlichkeit zwischen den Arten als eine Prognose
angeben, doch der Kreator ist völlig ungebunden in seinen Entscheidungen,
so daß er selbstverständlich auch den gegenteiligen Befund
hervorgebracht haben könnte. Wir haben es hier ja nicht mit
Gesetzesaussagen zu tun! Deshalb sind Erklärungen nicht
möglich: Warum nämlich hat
der Schöpfer ähnliche Arten, Fossilientrends usw. erschaffen? Weshalb
müssen die Arten einander ähnlich sein und die Fossilienformen
systematisch aufeinander folgen? Läßt sich das (oder überhaupt
irgend eine beliebige Beobachtung) zwingend aus der Schöpfungsthese
schlußfolgern? Das ist nicht der Fall. Man kann hier nur mit
"Baukastensystemen" argumentieren, die der Schöpfer (wer weiß
schon warum?) eben verwendet hat. Das ist zwar eine Deutung, aber keine
wissenschaftliche Erklärung.
Neukamm: Selbst wenn es aber den Autoren gelungen wäre, die
Evolutionsvorstellung komplett zu widerlegen, hielten sie kein einziges Argument
in Händen, das die Idee von dem "intelligenten Programmierer" evident
erscheinen ließe. Anstelle der Schöpfungsalternative könnten
nämlich auch andere Modelle treten, so daß man aus der Falschheit
einer Theorie nicht automatisch auf die Richtigkeit einer konkurrierenden
schließen darf.
Richtig, wir sagen ja auch nirgends, "daß man aus der Falschheit
einer Theorie nicht automatisch auf die Richtigkeit einer konkurrierenden
schließen darf". Die Möglichkeit, naturwissenschaftliche Daten
im Rahmen eines schöpfungstheoretischen Ursprungskonzepts zu deuten,
wird nicht primär mit der Kritik am Evolutionsmodell begründet.
(23) Was soll in diesem Zusammenhang der Ausdruck
"primär" bedeuten? Daß offene Fragen in der Evolutionstheorie
dazu verwandt werden, um die Schöpfungsalternative abzustützen,
räumen Junker und Scherer in ihrem Buch explizit ein, ja sie streichen
dies gar als wesentliches Anliegen ihres Buches heraus: "Sollten sich
(...) mit fortschreitender biologischer Forschung die Fälle mehren,
die durch Evolution nicht erklärbar zu sein scheinen, wäre die
Message-Theorie immer besser begründet. Es war ein wesentliches Ziel
(...) dieses Buches, zu dieser Diskussion beizutragen."
(S. 297).
Diese Behauptung entbehrt aber der logischen Grundlage,
weil wie gesagt eben auch andere Modelle außer Schöpfung
infragekämen. Daher wird und kann keine wissenschaftliche Theorie dadurch
begründet werden, daß man eine konkurrierende Theorie infragestellt
(das Umgekehrte ist der Fall)! Auch die Evolutionsbiologen halten die fehlende
Erklärungskraft der Schöpfungsthese nicht für eine
Begründung der Deszendenzhypothese. Doch welchen Stellenwert hätte
die Schöpfungstheorie, wenn sie nicht im Rahmen einer umfassenden
Evolutionskritik vorgetragen würde?
Neukamm: Das zentrale Problem aller supernaturalistischen Theorien
gründet in ihrer prinzipiellen Nichtwiderlegbarkeit durch beobachtbare
Sachverhalte.
Wir haben im Kapitel VII.17 gezeigt, wie im Rahmen der Schöpfungslehre
prüfbare Konzepte entwickelt werden.
(24) Da heißt es z.B. auf Seite 280, "Da (...)
die Existenz 'primitiver' Vorfahren bestritten werden kann, entsprechen lebende
Fossilien gut den Erwartungen im Rahmen eines Schöpfungsmodells." Die
Crux ist hier, daß es in der Erdgeschichte aber eine "Anagegese" gegeben
hat: Das Einfache ist historisch stets dem Komplexen vorangestellt.
Wäre dem nicht so, wäre die Abstammungshypothese nicht haltbar.
Trotzdem leben alle Schöpfungsmodelle ganz gut auch mit diesem
Befund. Egal, ob das Leben primitiv oder komplex begonnen hatte, alles
paßt ins Bild der Schöpfungstheorie.
Das wird in Kapitel 17.1.2 (S. 280) noch deutlicher.
Dort geht es um die "Regelhaftigkeit der Fossilüberlieferung". Junker
und Scherer schreiben: "Fossilien finden sich in den geologischen Schichten
in einer bestimmten Ordnung, sie sind nicht willkürlich verstreut."
Das ist ein Befund, den man zwingend aus der DARWINschen Abstammungshypothese
schlußfolgern kann, und wäre dem nicht so, wäre die
Abstammungshypothese logisch widerlegt! Doch auch dieser Befund paßt
in die Schöpfungsthese. Junker und Scherer: "Die Deutung der
Fossilüberlieferung im Langzeit-Schöpfungsmodell erfolgt unter
Beibehaltung der geologischen Zeitskala (...) Diese Anschauung (...) stünde
zur weltweiten Übereinstimmung der Ablagerungsfolgen jedoch nicht im
Gegensatz." Welcher Befund, das ist doch die eigentlich interessante
Frage, stünde zu dieser Anschauung überhaupt im Gegensatz? Das
wird im Evolutionsbuch nicht erwähnt!
Eine "Erklärung" wird auch für das
Kurzzeit-Schöpfungsmodell mit dem sogenannten "Megasukzessionsmodell"
genannt. Selbst wenn hier gezeigt werden könnte, daß es
"Megasukzessionen" gegeben hat, wäre damit nicht die Existenz eines
Schöpfers belegt. Belegt wäre nur das Modell! Und wenn das
Erklärungsmodell scheitern würde? Dann könnte immer noch die
"Langzeit-Schöpfung"einspringen, denn sie "(...) stünde zur
weltweiten Übereinstimmung der Ablagerungsfolgen jedoch nicht im
Gegensatz." Und was wäre, wenn die Fossilien "verstreut" im
Fossilienbefund auftreten würden? Dann würden das
Schöpfungstheoretiker erst Recht als Erfolg feiern, denn sie hätten
die Abstammungshypothese widerlegt und könnten auf ihre "Megasukzessionen"
verzichten. Wieder paßt alles ins Bild der Schöpfungsthese.
Ähnliches gilt für das "Grundtypen-Modell".
Junker und Scherer auf S. 284: "Die deutliche Abgrenzbarkeit von Grundtypen
kann als Hinweis für die Existenz geschaffener Einheiten gewertet
werden." Das ist aber nicht der Fall, denn es wird ja nur gezeigt, daß
es Formen gibt, die miteinander kreuzbar sind, nicht aber, daß das
in Zusammenhang mit dem Wirken eines Schöpfers steht! Und wenn sich
zeigen sollte, daß z.B. Menschen und Affen gekreuzt werden können?
Dann würde das nicht die Schöpfungsthese schwächen, sondern
nur zeigen, daß der "Grundtypen-Begriff" zu weit definiert wurde:
"(...es...) könnte eine Modifikation der Grundtypdefinition erforderlich
werden (...) sei es in einer abgewandelten Form aufgrund neuer Erkenntnisse."
(JUNKER, URL:
http://www.wort-und-wissen.de/fachgruppen/wt/wt006.html).
Kurz: Die Prüfungsmöglichkeiten erstrecken nur auf Vorstellungen
über natürliche Abläufe ("Megasukzession", "schnelle
Sedimentation" usw.), tangieren aber nicht Schöpfung "an sich". Es ist
ja schon ein widersprüchliches Unterfangen, wenn man mit unseren
"natürlichen Mitteln" die Existenz einer übernatürlichen Wesenheit
überprüfen will. Daher argumentiert Junker an der Kritik
vorbei.
Neukamm: Die Schöpfungstheorie kann selbst höchst
gegensätzliche Beobachtungen (wie die Ähnlichkeit und die vollkommene
Unähnlichkeit von Arten) gleichermaßen gut erklären.
Das ist falsch. Die Behandlung dieser Thematik sprengt den Rahmen des
Lehrbuchs. Darauf wird aber ausführlich in R. Junker:
Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen.
Holzgerlingen, 2002, eingegangen.
(25) Ich habe das Buch studiert, sehe aber nicht, wo
logisch gezeigt wurde, daß nicht auch das gegenteilige Szenario
(unähnliche Arten) dem " Ratschluß" des Schöpfers entsprungen
sein könnte. Die Begründung wurde in (22) geliefert. Würde
man tatsächlich eine neue Art entdecken, die überhaupt keine
Ähnlichkeit mit den uns bekannten Spezies aufwiese, wären doch
Evolutionsgegner sofort zur Stelle um (völlig zurecht!) darauf hinzuweisen,
daß keine genealogische Verbindung mit den uns bekannten Formen herstellbar
und die Abstammungshypothese infragegestellt wäre. So sieht z.B.
LÖNNIG: "(...) Unterschiede der Vogelfeder im Vergleich zur Reptilschuppe
auf praktisch allen Ebenen (...)" und will daher (allerdings mit einem
falschen Argument) die Deszendenzlehre rundweg widerlegt sehen (URL:
http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~loennig/
mendel/anhang2/Vogelfeder.html). Damit ist doch klar, daß der
Schöpfer auch völlig unähnliche Arten "produzieren"
kann. Was könnte einen allmächtigen Schöpfer überhaupt
daran hindern, beliebige Daten zu produzieren? Auch darüber liest man
im Evolutionsbuch nichts.
Neukamm: Eine Theorie die jedoch alles erklärt, erklärt
nichts. Man bekommt demzufolge durch keine spezifische Beobachtung einen
wirklichen Hinweis auf die Existenz eines Schöpfers. Dieses methodologische
Dilemma ist der Hauptgrund für die heuristische Unfruchtbarkeit und
Unwissenschaftlichkeit der Schöpfungsvorstellung. Im Gegensatz zur
Evolutionsbiologie kann es den Schöpfungstheoretikern prinzipiell nicht
gelingen, ihre Postulate durch Beobachtungen zu bereichern, weshalb sie auf
die Destruktion der transspezifischen Evolutionsidee ausweichen müssen.
Nochmal: Es ist seltsam, daß der Autor solche Behauptungen aufstellt,
jedoch auf kein einziges Detail in Kapitel VII.17 eingeht, in welchem es
um "Deutung des Lebens unter der Voraussetzung von Schöpfung" geht.
(26) In (24) habe ich dazu ausführlich Stellung
genommen. Das ist im übrigen nicht "seltsam". Denn solche Details
können, das sei mir nachgesehen, in einer kurz zu haltenden Rezension
keine angemessene Würdigung erfahren. Vor diesem Problem stehen alle
Rezensenten, die ein ausführliches Werk in möglichst knapper Form
zu besprechen haben.
Stellungnahme von Reinhard Junker unter:
http://www.wort-und-wissen.de/disk/d02/4/d02-4.html
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Rezension von Kutscheras
Buch Evolutionsbiologie"
Wie man mit Argumenten
gegen Evolution richtig umgehen sollte
Evolution und
Kreationismus
Reinhard
Junker:
02.11.02/03.02.03
Last
update:
04.05.03
Zur
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© by Martin Neukamm , 03.04.02