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Leseprobe:
Martin Mahner (2007):
Intelligent Design
und der teleologische Gottesbeweis
In: Kutschera, U. (Hg.): Kreationismus in
Deutschland. Lit-Verlag, Münster, pp. 340-351
Im Intelligent Design (ID) feiert ein
uralter Gottesbeweis Urständ: der teleologische. Der teleologische
Gottesbeweis (von gr. telos: Ziel, Zweck) versucht aus der Ordnung bzw.
scheinbaren Zweckhaftigkeit der Natur auf einen göttlichen Planer
(Designer), Zwecksetzer oder Schöpfer zu schließen. Er wird im
Englischen daher oft als "argument from design" bezeichnet. Da man dabei
jedoch von einem Tatbestand bloßer Ordnung auf einen Planer dieser
Ordnung schließen will, wäre der Ausdruck "argument to design"
adäquater (Flew 1999).
Schlüsse von der Beobachtung der Geordnetheit der Natur auf eine ordnende
Wesenheit gab es bereits in der griechischen Philosophie. In seiner christlichen
Ausprägung war das Design-Argument vor allem im 18. und in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts populär. Der Fortschritt in der
Naturforschung förderte überall neue Ordnungen zutage, von der
Himmelsmechanik bis hin zur Biologie. In dieser Blütezeit der Mechanik
wurde die Welt gern als große Maschine gesehen, so dass der Schluss
auf einen entsprechenden Maschinen-bauer nahelag.
Das Design-Argument war daher ein wichtiger Teil der so genannten Naturtheologie
(Physikotheologie, natürliche Religion), die meinte, die Existenz und
Natur Gottes mit den üblichen empirischen Mitteln erkennen zu können,
statt einen nicht weiter begründbaren Glaubensakt axiomatisch an den
Anfang zu stellen, wie es die Offen-barungstheologie tut. Als Klassiker dieser
Tradition gilt das im Jahre 1802 (und damit ideengeschichtlich schon recht
spät) erschienene Buch Natural Theology: or, Evidences of the Existence
and Attributes of the Deity, Collected from the Appearances of Nature des
englischen Theologen William Samuel Paley (1743 - 1805).
Paleys immer wieder zitiertes Beispiel betrifft eine Uhr, die er bei einem
Spaziergang zufällig auf dem Boden liegend findet. Man könne nicht
annehmen, so Paley, sie habe sich schon immer dort befunden. Vielmehr müsse
man aufgrund ihres fein abgestimmten Baus auf jemanden schließen, der
sie geplant und hergestellt habe. Da dieselbe Zweckhaftigkeit überall
in der Natur vorzufinden sei, müsse daraus auf einen Planer bzw. Baumeister
der Natur geschlossen werden, und zwar jemanden wesentlich mächtigeres
als ein menschlicher Uhr-macher, wofür nur der biblische Gott in Frage
komme.
Paley hatte offenbar ein wichtiges Buch nicht beachtet, das bereits 25 Jahre
früher erschienen war: die Dialogues Concerning Natural Religion des
schottischen Philosophen David Hume (1711-1776), posthum publiziert im Jahre
1777. Diese skeptische Analyse der Naturtheologie und des Design-Arguments
gilt bis heute als deren entscheidende philosophische Widerlegung, auch wenn
es danach immer wieder Versuche gegeben hat, Argumente zu formulieren, die
Humes Kritik umgehen (siehe dazu Mackie 1985; Martin 1990). Wie sieht die
Kritik Humes und späterer Autoren am Design-Argument aus?
Die
Kritik des teleologischen
Gottesbeweises
Beim "argument to design" handelt es sich um ein empirisches Analogieargument,
dessen allgemeine Struktur so aussieht: Aus der Beobachtung, dass ein Objekt
A eine Eigenschaft P hat und dass ein anderes Objekt B "irgendwie" dem Objekt
A ähnelt, wird geschlossen, dass B ebenfalls die - in diesem Falle nicht
direkt feststellbare - Eigenschaft P aufweist. Die Schwäche solcher
Analogieargumente besteht in dem Problem, ob und inwieweit die angenommene
Ähnlich-keit zutrifft. Inwiefern ist z. B. eine Uhr der gesamten Natur
analog?
Paleys Analogie zwischen einer Uhr und der Natur selbst beruft sich auf die
Ordnung bzw. Komplexität der Strukturen. Diese benötigen wir aber
gar nicht, um eine Uhr als "gemacht" zu erkennen, denn wir wissen bereits
aus Erfahrung, dass Uhren Artefakte sind (Flew 1999). Wir würden auch
einfache Artefakte wie Scherben oder Mauerreste als solche erkennen, wie
es Archäologen ständig tun. Komplexität scheint also bei Paleys
Argument nicht die relevante Analogie zu sein. Des Weiteren wissen wir aus
der Erfahrung mit den Lebewesen um uns herum, dass diese geboren werden,
sich entwickeln, wachsen und irgendwann sterben. Nichts aus unserer Erfahrung,
d.h. nichts Empirisches, deutet daraufhin, sie seien Artefakte. Die Natur
als Ganzes ist so eher einem Organismus analog als einer Uhr. Damit ist dem
Analogieargument weitgehend der Boden entzogen.
Gestehen wir dennoch pro forma zu, die Analogie sei korrekt, dann ergeben
sich konsequenterweise Schlüsse, die für den Vertreter des
teleologischen Gottesbeweises recht unerfreulich sind. Hume hat hierzu zahlreiche
Beispiele angeführt. Zunächst sind alle uns bekannten Maschinenbauer
endliche und imperfekte Wesen, d.h. Menschen. Der Analogieschluss auf ein
unendliches und perfektes Wesen ist also nicht gerechtfertigt. Zudem sind
alle uns bekannten Planer als Menschen moralisch zwiespältige Wesen,
d.h. sie vereinen gute und schlechte Züge. Der Schluss auf einen
allgütigen Designer ist daher unberechtigt. Genauso gut könnte
man aus der Existenz von Übeln auf einen bösen Schöpfer
schließen. So könnte man etwa die häufig sehr komplexen
Anpassungen und Lebenszyklen vieler Parasiten - man denke etwa an den Kleinen
Leberegel - als Beleg für raffinierte, aber bösartige Planung
anführen. Es ist vermutlich kein Zufall, dass solche "unerwünschten"
Komplexitäten so gut wie nie in Design-Argumenten auftauchen. In der
Tat könnte man hier das gesamte Argumentationsarsenal aus dem Bereich
des Problem des Übels gegen ID auffahren (zu letzterem s. Streminger
1992).
Auch der Schluss auf einen einzigen Baumeister ist empirisch nicht
gerechtfertigt, denn unsere Erfahrung lehrt uns, dass viele, insbeson-dere
größere Artefakte wie Gebäude nicht von einer Einzelperson
hergestellt werden, sondern von einer Gruppe. (Man könnte hier allerdings
den Planer oder Architekten von den tatsächlichen Erbauern unterscheiden,
was jedoch wenig am Grundsatz ändern würde.) Ein antiker Polytheismus
wäre so empirisch besser bestätigt als der Monotheismus. Hume
lässt seine Dialogfigur Philo weiter sagen: "[...] wer deiner Hypothese
folgt, ist vielleicht imstande zu behaupten oder zu vermuten, dass das Universum
irgendwann einmal aus so etwas wie einem Plan heraus entstanden ist. Doch
darüber hinaus kann er absolut nichts ermitteln; jede Einzelheit seiner
Theologie darf er nun der unbeschränkten Willkür seiner Phantasie
und Mutmaßung überlassen. Nach allem, was er weiß, ist diese
Welt, sofern man einen höheren Maßstab anlegt, sehr fehlerhaft
und unvollkommen: Viel-leicht war sie bloß der erste, noch ungeübte
Versuch einer Gottheit im Kindesalter, die später, beschämt über
ihre schwache Vorstellung, die Flinte ins Korn warf; oder sie ist nur das
Werk einer unselbständigen und untergeordneten Gottheit, das den
Vorgesetzten dieser Gottheit zum Spott dient; oder sie ist das kindische
Greisenwerk einer schon altersschwachen Gottheit, das sich seit deren Tode
von dem ersten empfangenen Antrieb und der dabei mitgenommenen Energie aufs
Geratewohl weiterbewegt". (Hume 1981, S. 59f). Wenn man also selbst bei
Anerkennung eines Schöpfers nicht mehr sagen kann, ob dieser Schöpfer
überhaupt noch existiert, geschweige denn ob er ein Interesse an uns
hat, dann dürfte er kaum eine Grundlage für religiösen Glauben
bieten. Er wäre nur noch ein erklärender Faktor der Naturwissenschaft,
dem jede religiöse Signifikanz fehlt.
Denkt man schließlich die Analogie, wonach Ordnung stets eines Planers
bedarf, konsequent zu Ende, dann muss auch der Planer selbst - und sei es
nur in seinem Geiste - eine Ordnung aufweisen, zu dessen Erklärung es
wiederum eines höheren Planers bedarf - und so weiter und so fort. Damit
führt der Analogieschluss in einen unendlichen Regress. Wer daher den
Analogieschluss bei einem ersten Planer abbrechen möchte - einem ungeplanten
Planer analog zum "unbewegten Beweger" als erster Ursache im so genannten
kosmo-logischen Gottesbeweis - kann dabei nicht mehr allein auf den empirischen
Analogieschluss und schon gar nicht auf wissenschaft-liche Methoden
zurückgreifen, weil diese stets aposteriorisch sind. Vielmehr muss er
sich auf die Apriori-Einsicht berufen, "dass sich eine geistige Ordnung
(wenigstens bei Gott) aus sich selbst erklärt, wohingegen alle materielle
Ordnung nicht nur nicht sich selbst erklärt, sondern auch positiv
unbegründet ist und einer weiteren Erklärung bedarf" (Mackie 1985,
S. 230).
Das Design-Argument ist also nur dann scheinbar plausibel, wenn es kein reines
empirisches Analogieargument ist, sondern Apriori-Annahmen einbezieht. Doch
damit setzt es das voraus, was es zu beweisen gilt. Einen
empirisch-wissenschaftlichen Planer- oder gar Gottesbeweis kann es nicht
geben.
Die
Strategie des Intelligent
Design
Spätestens an dieser Stelle würden die Vertreter des ID einwenden,
ihr Ansatz habe doch gar nichts mit dem teleologischen Gottesbeweis zu tun,
denn es komme ihnen nur auf den Nachweis von intelligenter Planung allgemein
an, nicht notwendigerweise auf den Nachweis eines göttlichen Designers
oder gar eines christlichen Gottes. So lesen wir etwa bei Rammerstorfer (2006,
S. 95): "Es geht im Rahmen solcher Ansätze also nicht darum, die Intelligenz
zu identifizieren oder spezifische Aussagen über sie zu tätigen,
sondern Hinweise (Signale) auf intelligentes Wirken dingfest zu machen".
Und Dembski (2004, S, 77) versichert uns: "The design argument is at its
heart a philosophical and theological argument. It attempts to establish
the existence and attributes of an intelligent cause behind the world based
on certain features of the world. By contrast, the design inference is a
generic argument for identifying the effects of intelligence regardless of
the intelligence's particular characteristics and regardless of where, when,
how or why the intelligence acts. (The intelligence can be animal, human,
extraterrestrial, singular, plural, immanent or transcendent.)".
Es gibt nun zwei Möglichkeiten, mit dieser expliziten Aussage umzugehen.
Man kann sie akzeptieren und versuchen, auf dieser Basis mit ID-Vertretern
weiter zu diskutieren.
Man kann sie aber auch als Immunisierungsstrategie betrachten und daher
zurückweisen. Für diese Option sprechen mindestens zwei Gründe.
Erstens: Ziel der internationalen ID-Bewegung ist ganz klar die
Re-Christianisierung von Wissenschaft und Kultur. Auf diesem Wege wäre
ein zunächst allgemeiner Planer sozusagen der Fuß in der Tür
der Wissenschaft, um sie dann weiter in Richtung Religion aufzustoßen.
ID-Vertreter sprechen ja nicht von ungefähr von einer Keil-Strategie
(mehr dazu in Waschke 2003; Kutschera 2004). So steuert man also auf der
einen Seite einen erzkonservativen Re-Christianisierungskurs, sobald man
jedoch kritisiert wird, zieht man sich schnell darauf zurück, es gehe
einem lediglich um einen ganz unspezifischen intelligenten Planer im Allgemeinen.
Auf diese Weise kann man Kritik an den übernatürlichen Komponenten
von ID abwenden, und das, was man tut, zugleich als Wissenschaft ausgeben,
weil es angeblich nicht supranaturalistisch kontaminiert ist. Schließ-lich
kann man denjenigen, der die religiöse Hintergrundmotivation der
ID-Vertreter ins Spiel bringt, des Ad-hominem- und des Strohmann-Arguments
bezichtigen. Diese Taktik bringt also alle Vorteile der Kritik-Immunisierung
mit sich.
Der zweite Grund, die Rede von einem unspezifischen Planer als Ausflucht
zu betrachten, wird ersichtlich, wenn man sich einer der üblichen
philosophischen Analyseformen bedient. Deren erster Schritt besteht in dem
Nachweis, dass eine Position, so wie sie explizit vertreten wird, trivial
oder irrelevant oder uninteressant ist. Im zweiten Schritt überlegt
man, wie diese Position repariert werden könnte, d.h., was sie eigentlich
aussagen müsste, um nicht mehr trivial oder uninteressant zu sein. In
einem dritten Schritt prüft man dann diese stärkere Version auf
Plausibilität.
Der
innerweltliche Planer des Intelligent
Design
Im Falle des ID wäre die zuerst zu prüfende These die eingangs
zitierte vom unspezifischen Designer. Hier kann man zeigen, dass sich entgegen
Dembski und anderer das ID-Argument gar nicht vom ID-Schluss trennen lässt.
Denn die ID-Vertreter übersehen, dass bei der Annahme eines unspezifischen,
also auch möglicherweise nicht-göttlichen Designers das Problem,
wer denn nun diesen Planer geplant bzw. hergestellt hat, noch schwerer wiegt
als im Falle eines göttlichen Designers. Ohne unwissenschaftliches
Apriori-Wissen (oder a priori hineingesteckte Glaubenssätze) können
wir redlicherweise nur auf Grund von Analogien argumentieren. Diese Analogien
müssten von zwei Erfahrungsgrundsätzen ausgehen. Erstens sind alle
uns bekannten Designer und Intelligenzen endliche biologische Wesen, die
selbst wieder einen natürlichen, nichtintelligenten Ursprung haben.
(Selbst wenn intelligente Wesen einen Zeugungsakt vollziehen, ist unserer
Erfahrung nach dieser Prozess selbst nicht intelligent. Daraus folgt, dass
der möglicherweise entstehende Embryo nicht das Resultat intelligenten
Designs durch die uns bekannten Intelligenzen ist, weil er kein Artefakt
ist. Nur ein im Labor synthetisierter Embryo wäre intelligent geplant.)
Zweitens weisen alle uns bekannten Planer selbst eine Ordnung auf, so dass
die Frage völlig legitim wäre, wer für die Ordnung dieser
planenden Intelligenzen verantwortlich ist. Auf diese Weise würde der
Hinweis auf einen intelligenten Planer also nur wenig erklären, sondern
die eigentliche Erklärung lediglich einen Schritt nach hinten verlagern.
Ein ähnliches Beispiel kennen wir aus der Biologie: die Panspermie-Hypothese
zur Entstehung des Lebens auf der Erde, wonach das Leben außerirdischer
Herkunft ist. Diese Antwort würde zwar erklären, wie das Leben
auf der Erde zustande gekommen ist, aber die weitaus interessantere Frage,
wie Leben überhaupt entsteht, unbeantwortet lassen. Ähnliches
träfe zu, wenn man die planende Intelligenz lediglich außerirdischen
Wesen zuschreibt. Einer solchen Idee zufolge, die an die pseudohistorischen
Fantasien eines Erich von Däniken erinnert, könnten irgendwelche
Außerirdische hier auf der Erde eine Art Experimentier-Labor oder -Zoo
aufgebaut haben. Auch dies würde nur wenig erklären, sondern sofort
die Frage nach der Entstehung dieser Außerirdischen nach sich ziehen.
Diese könnten zwar andernorts natürlicherweise entstanden sein,
so dass man hier den Regress abbrechen könnte - aber eben nur, wenn
man natürliche Erklärungen akzeptiert.
Doch könnten wir erwarten, dass sich ID-Vertreter damit zufriedengeben
würden? Vermutlich nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie alles
daransetzen würden, auch die Komplexität dieser Außerirdischen
als eines Planers bedürftig zu erweisen. Denn die natürliche
Erklärung der Entstehung einfacher Lebewesen unter geeigneten Bedingungen
ist ja nur ein erster Schritt: die Komplexität höherer
extraterrestrischer Organismen könnte danach wiederum nur durch einen
Mechanismus wie Selektion erklärt werden, den man mit den gleichen
Argumenten, wie sie ID grundsätzlich gegen Selektion vorbringt, in Zweifel
ziehen könnte. Der Regress würde hier also sowohl aus theoretischen
wie aus Gründen der ideologischen Motivation der ID-Vertreter weitergehen.
Damit ist die These vom unspezifischen und möglicherweise sogar weltlichen
Designer uninteressant: Sie würde letztlich wenig erklären, sondern
die eigentlichen Erklärungen nur jeweils einen oder mehrere Schritte
zurückverlagern. Der Verweis auf einen weltlichen intelligenten Planer
wäre lediglich ein unbedeutender explanatorischer Zwischenschritt, aber
nichts, was die Entstehung von intelligenten Planern selbst erklären
könnte. Genau dies müsste eine Theorie des ID aber grundsätzlich
leisten können. Doch dies kann sie unter Bezug auf einen weltlichen
Designer nicht.
Der
außerweltliche Planer des Intelligent
Design
Es nimmt also nicht wunder, wenn auch die ID-Vertreter, welche eben noch
die These vom weltlichen Designer erläutert haben, dies zumindest implizit
eingestehen, indem sie einen außerweltlichen Designer ins Spiel bringen
(z.B. Rammerstorfer 2006, Anhang B). Mit dem Verweis auf einen
außerweltlichen Planer wird jedoch das empirische Analogieargument
verlassen, denn nichts aus unserer Erfahrung deutet auf die Existenz
außerweltlicher Planung hin. Vor allem wäre ein außerweltlicher
Planer schlechthin immer noch nicht spezifisch genug, um auch die Entstehung
intelligenter Planer erklären zu können, denn es sind auch
außerweltliche Wesen denkbar, wie etwa Engel oder Dämonen, die
zwar als planende Intelligenzen fungieren, aber letztlich selbst wieder geplant
sein könnten. Nur im Falle eines Gottes könnte man ernsthaft über
die Möglichkeit einer causa sui, d.h. in diesem Falle eines ungeplanten
Planers, eines "dissignator sui", nachdenken. Dieser Gott müsste keineswegs
eine alttestamentarische Gestalt mit langem Bart sein. Vielmehr geht es um
den herkömmlichen philosophisch-theologischen Gottesbegriff, wonach
es sich um eine Wesenheit handelt, der Eigenschaften zukommen wie "Unbewegter
Beweger" bzw. "Erste Ursache" bzw. "Ursache seiner selbst" (causa sui) sowie
Absolutheit, Notwendigkeit, Transzendenz und Perfektion (Allmacht, Allwissenheit,
Allgüte), wobei letzteres vermutlich nur bei einer darüber hinaus
personalen Entität Sinn macht. Nur ein ungeplanter Planer in diesem
göttlichen Sinne könnte den Erklärungsregress aufhalten.
Will ID also den Regress vermeiden und etwas Interessantes aussagen, lässt
es sich nicht vom teleologischen Gottesbeweis trennen. ID kann, wenn es den
Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, nicht nur Design-Schlüsse
ziehen, sondern muss etwas erklären. Soll diese Erklärung nicht
regressiv sein, muss sie auf nichts weniger als einen Gott als planerische
causa sui rekurrieren. Doch Erklärungen nach dem Motto "Gott hat es
eben so gewollt" sind omniexplanatorisch (alleserklärend) und kommen
daher grundsätzlich nicht als wissen-schaftliche Erklärungen in
Frage (Bunge und Mahner 2004). Der religiöse Charakter von ID wird so
offensichtlich.
Und hier würden nun - im dritten Schritt unserer Analyse - alle
wohlbekannten Argumente aus der philosophischen Religionskritik im Allgemeinen
sowie aus der Kritik am teleologischen Gottesbeweis im Besonderen zum Tragen
kommen. Da letztere eingangs in aller Kürze vorgestellt wurde, braucht
dies hier nicht weiter ausgeführt zu werden (siehe auch Mackie 1985;
Martin 1990).
Die
Gegenkritik des Intelligent
Design
Im Lichte dieser Analyse erweisen sich verschiedene Aspekte der Gegenkritik
aus dem ID-Lager als erfolglos. So versucht etwa der Evolutionskritiker
Rammerstorfer (2006, Anhang B), das Regress-Argument zu umgehen, indem er
meint, die Frage nach Ordnung bzw. Komplexität beim Planer selbst beiseite
lassen zu können. Es ist jedoch schlichtweg unverständlich, wie
etwas, das selbst keine Ordnung aufweist, eine planende Intelligenz darstellen
könnte. Selbst eine rein geistige transzendente Entität müsste
etwa, um als intelligent zu gelten, Schlüsse ziehen, Probleme lösen
und Ideen kombinieren können. Dies alles setzt eine zumindest geistige
und logische Ordnung voraus. Der ID-Vertreter kann hier, wenn er nicht
blasphemisch sein will, auch kaum damit kommen, dass der Geist Gottes nur
reduzibel komplex ist und so nicht die irreduzible Komplexität aufweist,
für die ein intelligenter Planer erforderlich ist.
Damit wird deutlich, wie beliebig die Argumentationsstruktur von
ID-Anhängern ist: empirische Analogien werden gern genutzt, wenn es
um den Schluss von Komplexität auf Planung geht; wenn einem die Analogie
jedoch im Wege ist, wird sie umgangen oder geleugnet, wie etwa bei der Frage
nach der Natur des Designers. So meint Rammerstorfer etwa (S. 126), man
könne im Falle eines außer-weltlichen Designers a priori nicht
behaupten, dieser benötige selbst einen Designer. Da wir über einen
solchen übernatürlichen Designer aber rein gar nichts wissen, ist
es völlig legitim, ontologische und methodologische Leitsätze,
wie sie dem ID zugrunde liegen, wie "Jede Ordnung bedarf eines intelligenten
Ordners" oder "Jede komplexe Struktur bedarf eines intelligenten Planers"
oder zumindest "Jede komplexe Struktur lässt einen intelligenten Planer
vermuten" zunächst auch auf den Planer selbst anzuwenden. Um diese
Leitsätze zu durchbrechen, muss sich der ID-Vertreter auf ein weiteres
Stück Apriori-Wissen (oder weitere Glaubenssätze) beziehen und
verlässt damit immer weiter den Boden der Wissenschaft (s. das oben
zitierte Argument von Mackie, 1985). Rammerstorfer hat nur insofern Recht,
als die tatsächliche Existenz eines ungeplanten Planers den Regress
selbstverständlich aufhalten würde. Die Existenz eines solchen
ungeplanten Planers lässt sich jedoch nicht empirisch-wissenschaftlich
nachweisen. Und aufgrund der verschiedenen aus der Religionskritik bekannten
logischen wie philosophischen Probleme des Gottesbegriffs haben wir auch
keinen guten Grund, eine solche Entität wenigstens hypothetisch zu
postulieren.
Evolutionsbiologen haben wiederholt morphologisch-anatomische Fehlkonstruktionen
gewisser Lebewesen gegen ID ins Spiel gebracht. Rammerstorfer (2006) und
andere haben versucht, solche Einwände in Bezug auf "Design-Fehler"
mit dem Hinweis auf die unspezifische bzw. unbekannte Natur des Designers,
der sich angeblich auch an Naturgesetze und andere Konstruktionszwänge
halten müsse, zu entkräften. Doch wenn der Designer der
ID-Anhänger letztlich nur ein Gott sein könnte, dann wird deutlich,
dass Versuche wie diese lediglich der Kritik-Immunisierung dienen. Es bleibt
gänzlich unverständlich, warum einem transzendenten allwissenden,
allgütigen und allmächtigen Gott nichts besseres als "Krone der
Schöpfung" eingefallen sein sollte als eine schwitzende, urinierende,
defäzierende und ohne ständige Hygienemaßnahmen von Natur
aus übelriechende Säugetiervariante. Augustinus´ Erkenntnis
"Inter faeces et urinam nascimur" liefert kein sonderlich überzeugendes
Design-Signal in Bezug auf eine so hehre Entität wie einen Gott. Zudem
scheint dieser allwissende Planer nicht vorhergesehen zu haben, dass sich
diese Kreatur zu einer Massenspezies entwickelt und anschickt, seine
Schöpfung wieder zu zerstören.
Fazit:
Religion, aber keine
Wissenschaft
Es ist somit weit und breit nicht zu sehen, wie ID je überzeugend sein
könnte. Wenn es lediglich von einem innerweltlichen intelligenten Planer
ausgeht, sagt es nichts Interessantes aus. Erstens unterläge es dem
Regress und würde echte (d.h. mechanismische) Erklärungen nur weiter
nach hinten schieben. Würde ID, um den Regress abzubrechen,
tatsächlich an einer Stelle eine Erklärung für die Entstehung
innerweltlicher Planer akzeptieren, die von ungelenkten materiellen Prozessen
bzw. Mechanismen Gebrauch macht, dann wäre das Unternehmen ID von vornherein
überflüssig, weil der Verweis auf einen intelligenten Designer
stets nur ein explanatorischer Zwischen-schritt wäre, dessen Funktion
allein darin bestünde, unsere Suche nach echten Erklärungen nicht
vorschnell abzubrechen. Postuliert ID hingegen offen einen göttlichen
Planer - wodurch es überhaupt erst etwas Interessantes aussagen würde
und wodurch der Regress eventuell aufgehalten werden könnte, falls die
Idee eines dissignator sui akzeptabel wäre -, dann wird zu offensichtlich,
dass es hier allein um Religion geht und keineswegs um Wissenschaft.
Anmerkungen
Die ersten beiden Abschnitte dieses Beitrags sind in leicht veränderter
Form übernommen von Mahner (2003). Thomas Waschke danke ich für
hilfreiche kritische Anmerkungen zum Gesamttext.
Literatur
Bunge, M., Mahner, M. (2004) Über die Natur der Dinge. S. Hirzel-Verlag,
Stuttgart.
Dembski, W. (2004) The Design Revolution. Answering the Toughest Questions
About Intelligent Design. InterVarsity Press, Downers Grove.
Flew, A. (1999) Revisiting Arguments to Design. Free Inquiry 19,52 - 53.
Hume, D. (1981) Dialoge über natürliche Religion. Reclam, Stuttgart.
Kutschera, U. (2004) Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes
Design. Lit-Verlag, Münster.
Mackie, J.L. (1985) Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen
die Existenz Gottes. Reclam, Stuttgart.
Mahner, M. (2003) Hume, Paley und das Design-Argument. Skeptiker 16, 131.
Martin, M. (1990) Atheism - A Philosophical Justification. Temple University
Press, Philadelphia.
Paley, W. (1837) [Paley´s] Natürliche Theologie. Hg. von H. Hauff.
Cotta´sche Buchhandlung, Stuttgart.
Rammerstorfer, M. (2006) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Tectum,
Marburg.
Streminger, G. (1992) Gottes Güte und die Übel der Welt. Mohr-Siebeck,
Tübingen.
Waschke, T. (2003) Intelligent Design. Eine Alternative zur naturalistischen
Wissenschaft? Skeptiker 16(4), 128-136.
Kutschera, U. (2007, Hg.): Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen.
LIT-Verlag, Münster
© by
Martin
Mahner. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des
Herausgebers U. Kutschera.