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Neukamm, M.; Beyer, A. (2005):

Wolf-Ekkehard Lönnig und die Affäre Max Planck (*)

Über die fragwürdigen Diskursmethoden eines Evolutionsgegners

                         

1. Vorgeschichte

Im April 2003 erschien ein Artikel im Wochenmagazin "die Zeit", in dem der Wissenschaftsjournalist U. Willmann über die Hintergründe der Sperrung der Homepage des am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) beschäftigten Genetikers W.-E. Lönnig berichtete. Wie sich manche erinnern, wurde dem Wissenschaftler vorgeworfen, über viele Jahre den institutseigenen Server dazu benutzt zu haben, Texte antievolutionistischen Inhalts, angereichert mit Schöpfungsvorstellungen, unter dem Deckmantel der Wissenschaft zu präsentieren. Der Biologieprofessor und stellvertretende Vorsitzende des Verbands deutscher Biologen (VdBiol) U. Kutschera, wandte sich darauf hin an das MPIZ und erreichte, daß das brisante Material auf Beschluß des MPI-Direktoriums vom Institutsserver genommen und auf die private Homepage des Evolutionskritikers gestellt wurde. Also alles wieder in Ordnung? Weit gefehlt! Seit etwa zwei Jahren läßt der Zeuge Jehovas und Vertreter der Schöpfungslehre des "Intelligent Design" keine Möglichkeit ungenutzt, um seine Kritiker öffentlich anzugreifen, sie unter Verdrehung des Streitpunkts und der Gründe für ihr Vorgehen der "Inquisition" (1) zu bezichtigen sowie als Anhänger einer "materialistische(n) Religion" (2) und einer "totalitär-materialistischen Evolutionstheorie" (3) zu verunglimpfen. Lönnig schreckt nicht einmal davor zurück, ein Zitat von Gieffers auf seine Homepage zu stellen, in dem Kutscheras Wissenschaftsverständnis mit einer "terroristischen Wissenschaftsauffassung kommunistischer Regime" (4) verglichen wird - eine Steilvorlage, die den intellektuellen Nullpunkt in der Auseinandersetzung markieren dürfte (s. Nachtrag).

Vorläufiger Höhepunkt der polemischen Exzesse ist ein jüngst erschienenes Video des Berliner Filmemachers F. Poppenberg mit dem reißerischen Titel "Der Fall des Affenmenschen". Der Film enthält u. a. ein längeres Interview mit Lönnig, in dem ebenfalls rufschädigende Behauptungen und Fehlinformationen über die Biologen des VdBiol verbreitet werden. So wird dort u.a. behauptet, die "Protagonisten der Kampagne" hätten kein einziges wissenschaftliches Argument gegen die "mehr als tausend Seiten, ausgedruckt" zur Hand, in denen angeblich "naturwissenschaftliche" Einwände gegen die "herrschende Evolutionstheorie" vorgetragen werden sollen. (5) Vielmehr würden die Evolutionsbiologen (so lautet eine Behauptung von N. Basic, auf die Lönnig zustimmend rekurriert) "den ID-Argumenten hilflos gegenüberstehen", (ebd) so daß sie auf "Verbotsversuche" angewiesen seien usw. All dies ist völlig aus der Luft gegriffen und verlangt eine Richtigstellung. Dies geschieht nicht deshalb, weil das Interview oder die Homepage unseres Kritikers ernstzunehmende Einwände gegen die Evolutionstheorie und deren Vertreter enthielten. Im Gegenteil: aus wissenschaftlicher Sicht sind die Pamphlete völlig bedeutungslos; es handelt sich um einen Cocktail aus Halbwahrheiten, haltlosen Behauptungen, polemischen Angriffen, wissenschaftlichen Zitaten, Schöpfungs-Spekulationen und flüchtig errichteten "Pappkameraden", die sich gut attackieren lassen. Nur die Stellung des Verfassers als wissenschaftlicher Mitarbeiter des MPIZ und dessen aggressives Auftreten (s. insb. Kapitel 5.2.2.) lassen eine Begründung unserer Auffassung notwendig erscheinen.

Daher werden wir im Rahmen der vorliegenden Replik noch einmal den tatsächlichen Streitpunkt der Auseinandersetzung klarstellen, begründen, weshalb Lönnigs Ausführungen über weite Strecken den Standards wissenschaftlicher Argumentation nicht genügen und darlegen, warum die "Intelligent Design-Theorie" (im folgenden als ID-Lehre bezeichnet) entgegen der Beteuerung ihrer Anhänger pseudowissenschaftliches Gedankengut darstellt. Schließlich wollen wir an einigen Beispielen zeigen, mit welch fragwürdigen Stilmitteln gegen uns gearbeitet wird und nachweisen, daß Lönnigs ausgedruckt mehr als 1000 Seiten "naturwissenschaftlicher Argumente" über weite Strecken das Produkt einer methodologischen Verirrung und weniger das einer sachlichen Gegnerschaft sind. Um dies unter Beweis zu stellen, werden wir auf Passagen zurückgreifen, die der Homepage unseres Kritikers entstammen.

           

2. Einleitung: Der "Verbotsversuch" als Ausdruck der Diskursunfähigkeit?

Worum es wirklich ging

Der Haupteinwand, wonach es unserem Kritiker Lönnig bei allen Diskussionen um den Austausch von Sachargumenten gehe, während sich die "Evolutionisten" mangels Fähigkeit zur Gegenkritik (aus "Ohnmacht, meine Argumente zu widerlegen") (6) nicht anders zu helfen wüßten, als dessen Homepage "abzustellen", ist rhetorisch ebenso raffiniert wie an den Haaren herbeigezogen. Wie alle Beteiligten hinreichend deutlich gemacht hatten (so z.B. Kutschera 2004), verfügt Lönnig über eine private Homepage, von der aus er seine Meinung nach Belieben kundtun kann. Stein des Anstoßes war keineswegs die Religionsauffassung des Antievolutionisten, sondern die Tatsache, daß er die Grenze zwischen Glaube und Wissenschaft zu Lasten des Renommees der international anerkannten Max-Planck-Gesellschaft verschoben hatte. Dies machte er dadurch, indem er den institutseigenen Server nutzte, um seine Schöpfungsthesen im Umfeld wissenschaftlicher Forschung zu präsentieren, ihr auf diese Weise einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben und sie als das Ergebnis jahrelanger Forschung darzustellen (Kutschera 2004). An einer Stelle (7) wird sogar ein Buch der Glaubensgemeinschaft "Zeugen Jehovas" in einen wissenschaftlichen Text eingeflochten, so als handele es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Literaturstelle.

Interessanterweise wird an der Stelle lediglich der Buchtitel angeführt, Autoren und Verleger aber verschwiegen, obwohl es gemeinsam mit zwei weiteren Werken Erwähnung findet, deren Autor genannt werden. Welcher unbedarfte Leser, der sich nicht die Mühe macht, sich bis zur letzten Seite des Literaturverzeichnisses vorzuhangeln, kommt schon auf die Idee, daß das Buch "Das Leben - Wie ist es entstanden? Durch Evolution oder durch Schöpfung?", das dem Anfänger als das "beste populärwissenschaftliche Buch zum Thema" angepriesen wird, von der "Wachtturm Bibel- und Traktat- Gesellschaft" herausgegeben wurde? (a.a.O.)

     

Doch damit nicht genug: Lönnig polemisierte von der Institutshomepage aus gegen den methodologisch erzwungenen Naturalismus, den er als "evolutionistische(s) Denkverbot" (8) und Ausdruck einer "totalitär-dogmatische(n) Geisteshaltung des Neodarwinismus (bzw. des Materialismus)" (9) verballhornt. Diese Meinung bleibt Lönnig natürlich unbenommen. Doch es kann nicht angehen, daß er sie unter dem Dach einer angesehenen Wissenschaftsinstitution verbreitet, die genau diese methodologischen Prinzipien vertritt, die Lönnig offen attackiert!

Ebenso wenig darf ein Gewerkschaftsmitglied vom Server deren Organisation aus einen "Manchester-Liberalismus" vertreten oder in polemischen Ton die Arbeitnehmerrechte angreifen, und kein Mitarbeiter einer Kirche darf von der Homepage der Gemeinde aus atheistische Inhalte verbreiten. Vor allem käme kein vernünftiger Mensch auf die Idee, derartige Rechte einzufordern oder im Falle der Ablehnung von "Intoleranz", "Inquisition" oder einer "totalitär-dogmatischen Geisteshaltung" zu sprechen. Dies alles zeigt, wie polemisch die Affäre aus weltanschaulichen Gründen aufgebauscht wird. Lönnig hat das Recht, von der MPI-Seite aus Forschungsergebnisse zu präsentieren, die ein "peer review" durchlaufen haben. Nicht mehr und nicht weniger!

               

Auch die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) steht mit anderen Worten in der Tradition der "totalitär-dogmatischen Geisteshaltung", weil sie als Wissenschaftsorganisation das Ziel verfolgt, bislang unverstandene Phänomene einer kausal nachvollziehbaren Erklärung zuzuführen, anstatt in den Mystizismus längst vergangener Jahrhunderte zurückzufallen. Naturwissenschaft bedeutet eben, wissenschaftliche Fragen unter Rückgriff auf natürliche, d.h. naturgesetzlich beschreibbare (und somit rational und empirisch erfaßbare) Sachverhalte zu lösen, anstatt sie in den Nebel des Übernatürlichen und Mystischen auszulagern. Es ist ja schon ein Widerspruch in sich, mithilfe der naturalistischen Forschungspraxis auf eine supernaturalistische, immaterielle Entität schließen zu wollen (Neukamm 2004 a). Daher ist die Evolutionsbiologie nicht mehr und nicht minder naturalistisch, materialistisch und "atheistisch", als etwa die Kernphysik, die Chemie oder ein profanes Backrezept - keine einzige wissenschaftliche Theorie oder technische Beschreibung nimmt auf übernatürliche und/oder immaterielle Sachverhalte bezug.


Aus diesem Grund kann Lönnigs Versuch, den Spieß umzudrehen und zu behaupten, Kutscheras Vorgehensweise wäre in etwa so, als würde man Kutscheras Arbeitgeber vorhalten, er habe "durch Bereitstellung von Internetseiten mit dem Logo der Universität Kassel diese atheistisch motivierte (anti-naturwissenschaftliche) Missionstätigkeit unterstützt" (79), nicht überzeugen. Hier wird eben übersehen, daß die Universität Kassel (genauso wie das MPIZ und jede andere Wissenschaftsorganisation) einen "methodologischen Atheismus" verfolgt. Wie betont kommen in keinem wissenschaftlichen Bereich übernatürliche Dinge vor! Während Lönnig also die Prinzipien in den Wind schlägt, denen er als Wissenschaftler eigentlich verpflichtet sein müßte, tritt Kutschera für deren Einhaltung ein. Daß dies nichts mit Ideologie zu tun hat, beweist schon der Umstand, daß auch einige Mitglieder der AG Evolutionsbiologie bekennende Christen sind.

                         

Selbstverständlich ist der Naturalismus (dasselbe gilt auch für den Materialismus) prinzipiell falsifizierbar - er wäre z.B. völlig unbrauchbar, wenn es auf der Welt gesetzlos, gleichsam "wie im Trickfilm" zuginge - wenn etwa Dinge "aus dem Nichts" auftauchen, wieder verschwinden, sich Wasser in Wein verwandeln, Gegenstände aufwärts fallen würden usw.

Die naturalistische Wissenschaft geht auf diesem Wege also nur so weit, wie "ihre Füße tragen". Sie behauptet nicht, das es darüber hinaus definitiv (!) nichts Weiteres gäbe, aber sie kann zeigen, daß nur sie rationale und prüfbare Aussagen treffen kann. Jeder sieht daher ein, wie absurd es wäre, einem Kernphysiker, der ja zur Beschreibung nuklearer Prozesse nur natürliche Faktoren gelten läßt, den Wunsch nach Durchsetzung und Alleinherrschaft eines totalitär-materialistischen Weltbildes zu unterstellen. Dies gilt selbst dann, wenn er (wovon auszugehen ist) alle von außen angetragenen Versuche, göttliche Eingriffe in seine "Entstehungstheorie" der chemischen Elemente einzubauen, ebenso vehement abwehren würden, wie wir dies in der AG Evolutionsbiologie tun. Denn es ist eine logisch nachgewiesene Tatsache, daß es für das Wirken übernatürlicher Faktoren, die sich nicht mit natürlichen (empirisch-wissenschaftlichen) Methoden "dingfest" machen lassen, keine notwendige Grenze gäbe (vgl. Mahner 1989), so daß wir sie zur Erklärung von allem und jedem heranziehen und daher die wissenschaftliche Zielsetzung, differenzierte Erklärungen zu erbringen, abschreiben könnten (näheres siehe unten). Wenn es also die MPG dulden würde, daß man den Naturalismus der Wissenschaft unter ihrem Dach als "Hypothese der materialistischen Straßensperre der ‚Metaphysik'" (10) desavouiert (um eine weitere Polemik aus dem reichhaltigen Arsenal unseres Kritikers zu gebrauchen), würde sie sich international lächerlich machen, weil jeder neutrale Beobachter davon ausgehen würde, daß sich die MPG von ihrem naturwissenschaftlichen Auftrag verabschiedet hätte.

Diese Einschätzung hatte im übrigen Paul Schulze-Lefert, geschäftsführender Direktor des MPIs, ganz klar mit diesen Worten bestätigt, der auf den Servern nur noch Internetseiten duldet, die zuvor ein qualitätssicherndes peer review-Verfahren durchlaufen haben (siehe dazu den aufschlußreichen Artikel des Wissenschaftsjournalisten U. Willmann). Denn was Lönnig veranstaltet hatte, wäre - um einmal ein Beispiel zu nennen - in etwa so, als würde ein Mystiker auf dem Server des Max-Planck-Instituts für Theoretische Chemie die "wissenschaftlichen" Lehrsätze der Alchimie erklären, die theoretischen Grundlagen der Chemie unter Berufung auf "Anti-Atomisten" (wie z.B. den Physiker Ernst Mach) und die christliche Scholastik unter Thomas von Aquin als "unbewiesene Dogmen" vorführen, die "offenen Fragen" der Reaktionskinetik in eine Widerlegung der Hypothese vom "materialistischen Reaktionsgeschehen" sowie in einen Beleg für die gottgewollte Ordnung sowie den Einfluß übernatürlicher Geistwesen in die Chemie ummünzen und dieses heterogene Gemenge aus wissenschaftlichen Zitaten und Mystizismus als Resultat jahrelanger Forschung darstellen. (Weshalb ein solches Vorgehen intellektuell nicht ungefährlich ist, wird am Ende dieser Betrachtungen zu erläutern sein.)

Gewiß: wenn sich ein Wissenschaftler anschickt, die Schwachstellen und offenen Fragen einer etablierten Theorie wissenschaftlich korrekt herauszuarbeiten, um konstruktive Kritik an der Synthetischen Evolutionstheorie zu üben, ist dies völlig untadelig, denn nur die Kritik am Erklärungswert einer Theorie gibt Anlaß, sie im Rahmen von Forschungsprogrammen zu modifizieren und zu vervollständigen. Die Tatsache, daß die meisten Biologen, die Lönnig zitiert - wie z.B. Bateson, de Vries, Bertalanffy, Riedl, Gutmann u.v.a. - selbst Evolutionsbiologen sind oder waren, die sich "nur" über die Ursachenfrage entzweit haben, beweist einmal mehr, daß die Evolutionsbiologie wissenschaftlich korrekt an der Behebung ihrer Schwachstellen arbeitet, über ein gesundes Maß an "Selbstreinigungskräften" verfügt und (auch im Rahmen heftiger Kontroversen) offen über ihre Probleme debattiert.

Dies beweist im übrigen, daß Lönnigs Ideologie-Vorwurf völlig aus der Luft gegriffen ist. Es handelt sich um ein Strohmann-Argument, das als Replik auf den Vorwurf der etablierten Wissenschaften zu sehen ist, wonach die Lehre vom "Intelligent Design" kein rationales Betätigungsfeld, sondern Religion sei, die nur a priori (sprich: ideologisch) vorausgesetzt, d.h. weder empirisch noch rational gerechtfertigt werden kann (vgl. Kotthaus 2003).

         

Die Unvollständigkeit einer Theorie wissenschaftlich herauszuarbeiten und diese Kritik in eine "Widerlegung" des gesamten Evolutionsgebäudes sowie in Belege zugunsten einer scheinwissenschaftlichen Thesengebäudes umzudeuten, sind jedoch zwei paar Stiefel! Wir bestreiten nicht den wissenschaftlichen Wert der von Lönnig erhobenen Zitate (zumindest nicht derjenigen, die aus ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Publikationen stammen), sondern kritisieren die Art und Weise (sprich: die Methodik und Methodologie), mit der diese - überwiegend sogar von Evolutionsbiologen stammenden - Arbeiten verzerrt und verwendet werden, um die Evolutionstheorie "zu widerlegen" und die Schöpfungslehre in einem wissenschaftlichen Licht erscheinen zu lassen. Dies (und nur dies!) ist der Kern der Auseinandersetzung, anderslautende Behauptungen beruhen auf einer polemischen Verdrehung des Streitpunkts (den leider auch einige Evolutionsbiologen, die im Umfeld von Lönnig angesiedelt sind, nicht verstanden zu haben scheinen; s. z.B. Kurt Stüber).

Problematisch ist hier insbesondere, daß die ID-Lehre ohne methodologische Fundierung an die Stelle der angeblich "widerlegten" Evolutionstheorie gerückt und mit Analogien begründet wird, die philosophisch längst obsolet sind. Worin die wissenschaftstheoretischen Probleme der Lönnigschen Argumentation liegen, haben wir hinlänglich begründet - eine Kritik, die unser Gegner in den entscheidenden Punkten schlicht ignoriert (zur Kritik an der ID-Lehre s. Mahner 2003; Kutschera 2004; Neukamm 2004 a; zum Vergleich zwischen der Evolutionstheorie und dem Kreationismus s. Beyer 2004).


Insbesondere ist hier die Argumentation von Hume erwähnenswert, der bereits im 18. Jahrhundert nachgewiesen hatte, daß das "Design-Argument" weder empirisch oder mittels einer Analogie zu begründen ist; vielmehr kann die Schöpferanalogie - auf die Natur angewandt - immer nur "a priori" (sprich: als empirisch nicht evident zu machendes Glaubensbekenntnis) und damit nur zirkulär vorausgesetzt werden (s. Mahner 2003)!

         

Weshalb die Lehre vom "Intelligent Design" Mystizismus unter dem Deckmantel der Wissenschaft darstellt, werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal begründen. Zunächst wollen wir darlegen, welchen Ansprüchen wissenschaftliche Texte im allgemeinen genügen sollten: Unseres Erachtens setzt eine konstruktive, wissenschaftliche Arbeit im wesentlichen dreierlei voraus: Erstens muß die Methodologie, mit der ein theoretischer Konkurrent kritisiert wird, den bewährten, allgemein anerkannten wissenschaftsphilosophischen Prinzipien genügen. Zweitens sollte in der Abhandlung nicht die Kritik, sondern der heuristische Wert und Erklärungswert der Alternativtheorie im Vordergrund stehen, denn das wichtigste Ziel der Wissenschaft ist die Erklärung. Und drittens sollte auf den Einsatz rhetorischer Stilmittel zum Zwecke der Agitation verzichtet werden. Bemerkenswerterweise scheitern die meisten der Lönnigschen Homepage-Texte an diesen Kriterien, so daß ihr wissenschaftlicher Wert äußerst fraglich ist. Diese Auffassung wollen wir nun im Detail begründen.

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(*) Nachtrag, 05.12.10

Seit einigen Monaten kursiert im Internet eine Propangandaschrift des religiösen Eiferers W.-E. Lönnig mit dem Titel "Die Affäre Max Planck, die es nie gegeben hat" (2 Teile), die man kaum als etwas anderes als ein Verlegenheitsmanöver interpretieren kann. Denn beschämenderweise geht Lönnig darin auf die kardinalen Anklagepunkte gar nicht ein - seine Diskussion endet präzise an dem Punkt, an dem seine Methodologie ins Fadenkreuz wissenschaftlicher Analyse gerät. Das heißt, alles was ab Kapitel 3 ("Die Lönnigsche Methodologie") bzw. zwischen den Seiten 236 und 271 im Buch "Kreationismus in Deutschland" (U. Kutschera, 2007, Hg.) besprochen und analysiert wird (vgl. http://ag-evolutionsbiologie.de/app/download/3828704602/Max-Planck(Buchfassung).pdf), kehrt Lönnig nonchalant, und in der Hoffnung, es möge keiner seiner Leser bemerken, unter den Teppich. Selbst der 2. Teil der Erwiderung, der Monate zuvor als "Fortsetzung der Diskussion" angekündigt wurde, widmet sich allem möglichen, nur nicht der methodologische Analysen des Beitrags "Wolff-Ekkehard Lönnig und die Affäre Max Planck", um die es doch eigentlich ursprünglich ging. Wenn das kein krudes Ablenkungsmanöver ist, was dann?

Davon abgesehen reibt man sich über die Wahl des Titels ("Die Affäre Max Planck, die es nie gegeben hat") verwundert die Augen. Was lesen wir bei Wikipedia (Eintrag vom 05.12.10) über die Bedeutung des Begriffs Affäre? "Der Begriff Affäre bezeichnet eine unangenehme, dunkle, peinliche oder skandalöse Angelegenheit..., einen Skandal in Politik und Wirtschaft..., oder aber ein sexuelles 'Liebesabenteuer', das oftmals zeitgleich zu einer bestehenden Partnerschaft stattfindet" (http://de.wikipedia.org/wiki/Aff%C3%A4re). Ungeachtet der platonischen Liebesabenteuer, die sich zwischen Lönnig und Jehova auf fiktiver Ebene abspielen mögen (oder auch nicht), war die Angelegenheit für Lönnigs Arbeitgeber so abgrundtief unangenehm und peinlich, dass das Direktorium des Kölner MPIZ die Instituts-Website des religiösen Fanatikers nach 3-stündiger Krisensitzung "massiv entrümpelte", und zwar kurz nachdem die Vorkommnisse dank der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature der Weltöffentlichkeit bekannt wurden (vgl. hierzu die erhellende Reportage von Urs Willmann: http://www.zeit.de/2003/19/Kreationisten). Die Angelegenheit war den Direktoren des Max-Planck-Instituts sogar so peinlich, dass sie sich noch Jahre später in der Zeitschrift Laborjournal (6/2006) zu der Feststellung genötigt sahen, man distanziere sich in aller Klarheit von Lönnigs Weltanschauung namens "Intelligent Design". Wenn das keine Affäre in der ureigensten Bedeutung dieses Wortes ist, was dann? Einmal ganz zu schweigen davon, dass die übrige "scientific community" die Versuche, Intelligent Design mithilfe des Renommees eines Max-Planck-Instituts wissenschaftlich abzusichern, tatsächlich als einen Skandal, als einen dreisten Indokrinationsversuch betrachtete, sonst hätte es die Affäre nicht bis in die Wissenschaftszeitschrift Nature geschafft.

     

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